Rz. 187

In Rdn 182 wurde die Frage angesprochen, auf welchen Endzeitpunkt die Indexierung der Wertbeträge ausgleichungspflichtiger Vorempfänge zu erfolgen hat. Der BGH vertritt die Meinung, Endzeitpunkt sei der Erbfall, eine davon abweichende Literaturmeinung stellt auf den Zeitpunkt der Erbteilung bzw. im Falle des Prozesses auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab. Die Erläuterung der Problematik soll anhand einfacher Beispiele erfolgen.

 

Rz. 188

 

Beispiel

Im Zeitpunkt des Erbfalls besteht der Nachlass aus Sparguthaben in Höhe von 20.000 EUR, 50 DaimlerChrysler-Aktien, 30 Siemens-Aktien und 100 Telekom-Aktien. Daneben gibt es einige Verbindlichkeiten.

Gesetzliche Erben sind geworden die Witwe zur Hälfte, Sohn und Tochter zu je einem Viertel.

Der Nachlass bleibt mehrere Jahre in ungeteilter Erbengemeinschaft. Im Laufe der Zeit werden alle Nachlassverbindlichkeiten beglichen (§ 2046 BGB), das Aktiendepot wird einvernehmlich so umgeschichtet, dass noch 160 Siemens-Aktien vorhanden sind (Verwaltungsmaßnahmen und Verfügungen nach §§ 2038, 2040 BGB). Weitere Nachlassgegenstände gibt es nicht mehr. Nunmehr soll der Nachlass geteilt werden (§ 2047 Abs. 1 BGB).

Nach dem Prinzip der Realteilung (Teilung in Natur) ist der vorhandene Rein-Nachlass entsprechend den Erbquoten aufzuteilen (§§ 2042 Abs. 2, 752, 2047 Abs. 1 BGB).

Demnach entfällt auf die Witwe die Hälfte = 80 Aktien, auf den Sohn ¼ = 40 Aktien und auf die Tochter ¼ = 40 Aktien, jeweils zu Alleineigentum.

Mit der Übereignung der jeweiligen Zahl von Aktien ist das Ziel der Erbteilung erreicht: Jeder Mitberechtigte am Nachlass hat Alleineigentum an einzelnen Nachlassgegenständen (Aktien) erworben. Nachlassgegenstände, die in gemeinsamem Eigentum stünden, sind nicht mehr vorhanden.

aa) Die Kaufkraftanpassung beeinflusst den Verteilerschlüssel

 

Rz. 189

Bei Vorhandensein ausgleichungspflichtiger Vorempfänge muss für die Erbteilung ein neuer Verteilerschlüssel gefunden werden. Weil die Vorempfänge aber nur noch als fiktive Nachlassposten dem Nachlass hinzuaddiert werden, ist eine Wertangabe in Euro-Beträgen erforderlich. Deshalb müssen sowohl der Nachlass als auch die ausgleichungspflichtigen Vorempfänge bewertet werden.

Für die Indexierung von Vorempfängen für die Erbteilung bedeutet dies nach der hier vertretenen Meinung (anders der BGH), vgl. Rdn 182: Die bei der Durchführung der Ausgleichung erforderliche Bewertung des Nachlasses erfolgt im Hinblick auf die dingliche Beteiligung der Erben und ihrer Teilnahme am Verwaltungsergebnis nicht auf den Zeitpunkt des Erbfalls, sondern auf den Zeitpunkt der Erbteilung. Ist eine Erbteilungsklage erhoben, so ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung zu bewerten (als Folge des Mündlichkeitsprinzips des § 128 Abs. 1 ZPO). Und weil der Kaufkraftstichtag für die Nachlassbewertung der Zeitpunkt der Erbteilung ist, sind die Wertbeträge der Vorempfänge auch auf den Kaufkraftstichtag der Erbteilung zu indexieren. Nur so kann ein unverfälschter neuer Verteilerschlüssel für die Erbteilung ermittelt werden.[186]

 

Rz. 190

 

Beispiel

Im Beispiel 1 hat der Sohn zu Lebzeiten des Erblassers eine ausgleichungspflichtige Zuwendung erhalten, die im Zeitpunkt der Zuwendung 20.000 DM = 10.000 EUR wert war. Mit der Indexierung auf den Zeitpunkt des Erbfalls errechnet sich ein Betrag von 20.000 EUR, die Indexierung auf den Zeitpunkt der Erbteilung ergibt einen Betrag von 40.000 EUR. Der reine Wert des Nachlasses beträgt im Zeitpunkt des Erbfalls 120.000 EUR, im Zeitpunkt der Erbteilung 160.000 EUR. Im Übrigen ist der Sachverhalt gleich wie in Beispiel 1.

Die drei Miterben verwalten den Nachlass auch in diesem Fall unabhängig von der Ausgleichungspflicht des Sohnes. Die Ausgleichungspflicht interessiert vor der Erbteilung grundsätzlich nicht; vielmehr ist für die Mehrheitsverhältnisse bei der Beschlussfassung in der Erbengemeinschaft nach §§ 2038 Abs. 2, 745 BGB die nominale Erbquote maßgebend.[187] Erst bei der Erbteilung muss der neue, von der Erbquote abweichende Verteilerschlüssel festgestellt werden. Und aufgeteilt wird natürlich nur derjenige Nachlass, der im Zeitpunkt der Erbteilung vorhanden ist und nicht der, der beim Erbfall vorhanden war, denn dieser existiert so nicht mehr, weder in seinem Bestand noch in seinen Wertverhältnissen.

[186] Wie hier: MüKo/Fest, § 2055 BGB Rn 12; Staudinger/Werner, § 2055 BGB Rn 1; Soergel/Wolf, § 2055 BGB Rn 1; Peter, BWNotZ 1986, 28, 30; Krug, ZEV 2000, 41; Eberl-Borges, Die Erbauseinandersetzung, S. 235; a.M. und wie BGH: Grüneberg/Weidlich, § 2055 Rn 3; Meincke, AcP 178 (1978), 59 ff.; Ebenroth/Bacher, BB 1990, 2053; Thubauville, MittRhNotK 1992, 292, 301.
[187] Grüneberg/Weidlich, § 2055 Rn 4; Staudinger/Werner, § 2055 BGB Rn 13.

bb) Berechnung bei Indexierung auf den Stichtag der Erbteilung

 

Rz. 191

Nach der BGH-Rechtsprechung müsste der Nachlass auf den Zeitpunkt des Erbfalls bewertet und der Vorempfang auf diesen Zeitpunkt indexiert werden, obwohl die Miterben den Nachlass nicht per Erbfall aufteilen, sondern zum (heutigen) Tag der Erbteilung, und somit jeder Miterbe Nachlassgegenstände erhält, dere...

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