Rz. 214

Hat ein Abkömmling für den Erblasser besondere Leistungen erbracht, z.B. durch Mitarbeit im elterlichen Haushalt oder durch Pflege des Erblassers, und wurden dadurch Aufwendungen erspart (Kausalität beachten!), so dass der Nachlass nicht oder weniger geschmälert wurde als bei Inanspruchnahme fremder Hilfe, so kann dieser Abkömmling von den anderen Abkömmlingen, die mit ihm zusammen Erben werden, einen Ausgleich bei der Nachlassauseinandersetzung verlangen, sofern er kein – angemessenes – Entgelt dafür erhalten hat, § 2057a BGB.[219]

Eine Ausgleichung für Pflegeleistungen ist unabhängig davon möglich, ob der Pflegende auf ein eigenes berufliches Einkommen verzichtet hat.[220]

Zur Rechtslage für Erbfälle, die vor dem 1.1.2010 eingetreten sind, vgl. die Vorauflagen.

 

Rz. 215

Der Anspruch beinhaltet aber keine Geldforderung – dieses Missverständnis ist weit verbreitet. Vielmehr kann er nur zur Veränderung des Verteilerschlüssels in der Erbteilung führen (vgl. das Berechnungsbeispiel Rdn 223).

Zur Höhe des Ausgleichungsbetrags das OLG Schleswig:[221]

Zitat

"Für die Bestimmung der Höhe der Ausgleichung nach § 2057a BGB sind keine minutiösen Einzelfeststellungen erforderlich, vielmehr ist eine “Gesamtschau‘ vorzunehmen. Es sind zunächst die Dauer und der Umfang der auszugleichenden Leistung zu berücksichtigen, insbesondere der Leistungszeitraum und der tägliche Aufwand. Ferner ist in die Erwägungen einzubeziehen, in welchem Umfang der Nachlass erhalten wurde. Andererseits müssen auch die Vermögensinteressen der weiteren Erben sowie die Höhe des gesamten Nachlasses berücksichtigt werden. Der Ausgleichungsbetrag darf allerdings nicht den Wert des gesamten Nachlasses erreichen."

 

Rz. 216

Eine exakte Definition, was unter Pflegeleistungen i.S.d. § 2057a Abs. 1 S. 2 BGB zu verstehen ist, fehlt im BGB. Ausgegangen werden kann von dem seit 1.1.2017 mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz[222] in § 14 SGB XI n.F. aufgenommenen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff. Häufig wird in der bisher ergangenen Judikatur auf die Definition der Pflegebedürftigkeit in § 14 Abs. 4 SGB XI a.F. zurückgegriffen. Pflege und Pflegebedürftigkeit werden in der seit 1.1.2017 geltenden Gesetzesfassung somit auch im sozialen Pflegeversicherungsrecht umfassender verstanden als früher. Entsprechend ist der Pflegebegriff des § 2057a Abs. 1 S. 2 BGB weit auszulegen und bietet die neue Definition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs in § 14 SGB XI n.F. ergiebige Anhaltspunkte für die Reichweite der unter den Miterben auszugleichenden Pflegeleistungen.

Pflege i.S.d. 2057a Abs. 1 S. 2 BGB definiert sich somit als jede dem Erblasser persönlich erbrachte Dienstleistung, derer der Betroffene ganz oder teilweise aufgrund krankheits- oder behinderungsbedingter Hilflosigkeit zur Sicherung seiner persönlichen Existenz und eines menschenwürdigen Lebens bedarf.[223]

Pflege "während längerer Zeit": Die Pflegeleistungen sind gem. § 2057a Abs. 1 S. 2 BGB nur auszugleichen, wenn sie der Abkömmling des Erblassers "während längerer Zeit" erbracht hat. Dieses Merkmal stellt damit zunächst auf den zeitlichen Faktor ab. Ausschließlich vorübergehende Hilfestellungen rechtfertigen demnach keine Privilegierung unter den Miterben. Eine Untergrenze in Gestalt einer Mindestpflegezeit existiert jedoch nicht. Auch ist nicht erforderlich, dass der Abkömmling die auszugleichenden Pflegeleistungen ununterbrochen erbringt, sondern es genügt etwa die Pflege über einen längeren Zeitraum nur jeweils am Wochenende.[224] Nach dem Sinn und Zweck der Norm kann auch schon ein einzelner kurzer Zeitraum von etwa einem Monat zur Ausgleichungspflicht führen, wenn der Erblasser ansonsten Dritte für pflegerische Leistungen hätte bezahlen müssen.

Die Rechtsprechung liest in das Kriterium der "längeren Dauer" neben der zeitlichen Komponente zusätzlich das Erfordernis einer überobligatorischen Intensität der erbrachten Pflegeleistungen hinein. Die pflegerischen Dienste müssten "über das übliche Maß hinaus" gehen, damit sie unter den Abkömmlingen auszugleichen sind.[225] Eine allgemeine Definition des "üblichen Maßes" fehlt allerdings.

 

Rz. 217

Unter Pflegeleistungen i.S.v. § 2057a BGB sind gerade solche Leistungen zu verstehen, die im Rahmen des Begriffes der Pflegebedürftigkeit in § 14 SGB XI aufgeführt werden. Weil nach Sinn und Zweck von § 2057a BGB aber beabsichtigt ist, im Interesse der Pflegebedürftigen eine Heimunterbringung oder eine Versorgung durch fremde professionelle Kräfte möglichst zu vermeiden, kann zusätzlich auch die bloße Anwesenheit des Abkömmlings als Teil der Pflegeleistung i.S.v. § 2057a BGB anzusehen sein, soweit er für Gespräche einerseits und für die Sicherheit des Pflegebedürftigen im Fall plötzlich notwendig werdender Hilfe zur Verfügung steht.

 

Rz. 218

Pflegeleistungen eines Abkömmlings können nur dann zu einer Ausgleichung nach § 2057a Abs. 1 S. 2 BGB führen, wenn sie jedenfalls zum Erhalt des Erblasservermögens beigetragen haben. Dieser Erhalt des Erblasservermögens kann sich in der Er...

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