Rz. 119

Grundsätzlich kann ein medizinisch-psychologisches Gutachten positiv oder negativ werden. Ein positives Gutachten lässt die Schlussfolgerung zu, dass bestehende Eignungszweifel nicht (mehr) vorliegen und hat in der Regel die Erteilung der Fahrerlaubnis zur Folge. Ausnahmen müssen von der Fahrerlaubnisbehörde mit objektiven, aktenkundigen Belegen begründet werden. Hierzu zählen vor allem "Schwarzfahren" zwischen der Antragstellung und der Gutachtenabgabe sowie zum Zeitpunkt der MPU noch nicht aktenkundig gewesene und vom Klienten verschwiegene anhängige Verfahren. Diese offenkundigen Tatsachen können ein positives MPU-Gutachten aufheben, sodass die Zweifel der Fahrerlaubnisbehörde weiterhin bestehen und die Fahrerlaubnis verwehrt bleibt.

 

Rz. 120

Ein negatives Gutachten wird immer dann erstellt, wenn die Eignungszweifel (noch) nicht ausgeräumt werden konnten. In einem solchen Fall haben es sich die Gutachter zur Aufgabe gemacht, Empfehlungen zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung zu geben, denn auch die untersuchten Kraftfahrer, die zum Zeitpunkt der Untersuchung (noch) negativ beurteilt werden, haben in aller Regel eine Chance, die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zurückzugewinnen. Sie benötigen jedoch meist etwas mehr Zeit. Die Umsetzung dieser Empfehlungen und die daraus folgende Verbesserung der Eignungsvoraussetzungen muss in einer neuerlichen MPU überprüft werden.

Zitat

"Zur Verbesserung der Eignungsvoraussetzungen vor einer späteren Untersuchung können in diesen Fällen je nach Indikation folgende Maßnahmen empfohlen werden:"

aufarbeitendes, klientenzentriertes Gespräch (z.B. Beratungsstellen),
rehabilitative verkehrspsychologische Einzel- oder Gruppenmaßnahmen,
psychotherapeutische Einzel- oder Gruppeninterventionen (nach dem PsyThG),
Selbsthilfegruppen,
ärztliche Betreuung.“[21]

Darüber hinaus kann die Teilnahme an einem Abstinenzkontrollprogramm empfohlen werden.

 

Rz. 121

Bei Alkohol- und Drogenfragestellungen ist es darüber hinaus möglich, ein Gutachten mit einer Kursempfehlung nach § 70 FeV abzuschließen. Solche Gutachten sind zwar im juristischen Sinne ebenfalls negativ, doch es besteht die begründete Annahme, dass in einer Nachschulung (Kursteilnahme) die noch bestehenden Eignungszweifel ausgeräumt werden können. Hintergrund ist dabei, dass der Klient in der MPU bereits gute Ansätze gezeigt hat, sodass ein negatives Gutachten nicht gerechtfertigt wäre, gleichzeitig aber auch noch einige Lücken erkennbar waren, die ein positives Gutachten nicht zulassen. Solche Lücken können klassischerweise in einem Kurs nach § 70 FeV geschlossen werden. Stimmt die Fahrerlaubnisbehörde dem Gutachten und somit der Kursteilnahme zu, ist im Anschluss an den Kurs keine neuerliche Überprüfung der Eignung notwendig. Der Klient gibt lediglich die Kursteilnahmebescheinigung bei der Fahrerlaubnisbehörde ab und bekommt dann seine Fahrerlaubnis zurück.

 

Rz. 122

Leider ist mit der "Elften Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften" in der FeV verankert worden, dass vom Gutachter lediglich für Fahrerlaubnisbewerber eine Kursempfehlung ausgesprochen werden darf, obwohl die fachlichen Voraussetzungen gemäß Beurteilungskriterien auch bei Fahrerlaubnisinhabern gegeben sein können. Hier bieten sich für den Anwalt Ansatzpunkte für eine rechtliche Klärung, da es sich um eine Benachteiligung von Fahrerlaubnisinhabern (bei sog. Belassungen) handelt. Ihnen wird durch die neue Regelung in der FeV die Möglichkeit verwehrt, durch eine Kursteilnahme ihre Kraftfahreignung wiederherzustellen. Bei Inhabern bleibt dann in der Regel nur die Möglichkeit eines negativen Gutachtens, wenn nicht alle Eignungsbedenken ausgeräumt werden können.

 

Rz. 123

Aus verkehrspsychologischer Sicht ist eine solche Unterscheidung zwischen Fahrerlaubnisbewerbern und -inhabern jedoch wenig sinnvoll. Immerhin wäre es z.B. möglich, dass ein Inhaber auf seine Fahrerlaubnis verzichtet, um ein negatives Gutachten zu vermeiden und stattdessen an einem solchen Kurs teilnehmen zu dürfen. Aber nur, weil der Klient seine Fahrerlaubnis abgibt, erfüllt er nicht plötzlich andere psychologische Voraussetzungen für eine Kursteilnahme.

 

Rz. 124

Die Mehrheit der Gutachten wird positiv abgeschlossen. 2015 waren im Bundesdurchschnitt 59 % aller Gutachtenergebnisse positiv, in 6 % wurde ein Nachschulungskurs nach § 70 FeV empfohlen (vgl. BASt[22]). Daraus folgt, dass rund ⅔ der Kraftfahrer, die zur MPU kommen, durch die Begutachtung geholfen werden kann, ihre Fahrerlaubnis zu behalten bzw. wieder zu erlangen.

 

Rz. 125

 

Praxistipp

Für eventuelle spätere Rückfragen und zur Vervollständigung der eigenen Unterlagen ist es empfehlenswert, dass der Klient sich eine Kopie seines Gutachtens macht, bevor er es bei der Fahrerlaubnisbehörde abgibt. Alternativ kann der Klient auch den Service der Begutachtungsstellen nutzen und sich direkt zwei Gutachtenexemplare ausstellen lassen.

[21] Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsyc...

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