Rz. 6

Da die Revision vom Gesetzgeber als Zulassungsrevision ausgestaltet worden ist, kann der Revisionskläger eine Revisionszulassung nur erreichen, wenn er darzulegen vermag, dass:

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO) oder
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO).

Sinngemäß gilt dasselbe wie bei der Zulassungsberufung.

 

Rz. 7

 

Hinweis

Grundsätzliche Bedeutung[7] hat eine Rechtssache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann,[8] oder wenn andere Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit deren Interessen in besonderem Maße berühren und ein Tätigwerden des Revisionsgerichts erforderlich machen,[9] oder wenn eine Vorlage an den EuGH in Betracht kommt.[10] Dementsprechend muss

die durch die angefochtene Entscheidung aufgeworfene Rechtsfrage konkret benannt werden (Aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite ist die Rechtsfrage umstritten?),[11]
die Bedeutung der Sache für eine Unbestimmtheit von Fällen im Einzelnen aufgezeigt werden (wobei ein Hinweis auf Streit in Rechtsprechung und Literatur allerdings dann entbehrlich ist, wenn der entscheidungserheblichen Rechtsfrage bereits wegen ihres Gewichts für die beteiligten Verkehrskreise grundsätzliche Bedeutung zukommt)[12] und
die Auswirkung des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit ein korrigierendes Eingreifen des Revisionsgerichts erfordern.[13]

Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung[14] zuzulassen, wenn einem Gericht bei der Anwendung der Rechtsnorm Fehler unterlaufen sind, die die Wiederholung durch dasselbe Gericht oder die Nachahmung durch andere Gerichte erwarten lassen und dadurch so schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung zu entstehen oder fortzubestehen drohen, dass eine höchstrichterliche Leitentscheidung notwendig ist.[15] Unter diesem Aspekt ist die Einheitlichkeit der Rechtsprechung dann gefährdet, wenn

aufgrund konkreter Anhaltspunkte die Gefahr einer Wiederholung oder Nachahmung desselben Fehlers durch dasselbe oder ein anderes Gericht besteht (Lässt sich die Begründung der angefochtenen Entscheidung in der Weise verallgemeinern, dass die Argumentation auf eine nicht unerhebliche Zahl künftig zu erwartender Sachverhalte übertragbar ist?)[16] oder ein grundlegendes Missverständnis höchstrichterlicher Rechtsprechung vorliegt,[17]
die angefochtene Entscheidung sich als objektiv willkürlich darstellt, wobei der Verstoß gegen das Willkürverbot nicht offenkundig sein muss,[18]
Verfahrensgrundrechte einer Partei verletzt werden, wobei es auch hier nicht darauf ankommt, dass die Verletzung des Verfahrensgrundrechts offenkundig ist[19] oder
ein Fall der Divergenz mit symptomatischer Bedeutung vorliegt.[20]
 

Rz. 8

§ 545 Abs. 1 ZPO a.F. regelte bislang, dass die Revision nur darauf gestützt werden kann, dass die Entscheidung auf der Verletzung des Bundesrechts oder einer Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt. Diese Eingrenzung wurde mit Wirkung zum 1.9.2009 aufgehoben.[21] Nunmehr ist ausreichend, dass die Entscheidung überhaupt auf einer Verletzung des (nationalen) Rechts beruht. Die alte Gesetzesfassung ist vor dem Hintergrund der Übergangsvorschrift des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG jedoch weiterhin von praktischer Relevanz. Wann von einer Rechtsverletzung im Sinne des § 545 Abs. 1 ZPO auszugehen ist, bestimmt sich nach § 546 ZPO. Danach liegt eine solche vor, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

 

Rz. 9

 

Beispiele

Rechtsverletzungen im Sinne von § 546 ZPO können darauf gestützt werden, dass dem Berufungsgericht:

bei der Auslegung einer Rechtsnorm ein Interpretationsfehler unterlaufen ist (z.B. unzutreffende Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe "gute Sitten",[22] "grobe Fahrlässigkeit"[23] oder "Verwirkung"[24]),[25]
bei der Subsumtion des festgestellten konkreten Tatbestandes unter die abstrakten Tatbestandsmerkmale der angewendeten Norm ein Subsumtionsfehler unterlaufen ist (z.B. ob die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen einen Verstoß gegen die guten Sitten nach § 138 BGB ergeben[26]),[27]
bei der Auslegung von Prozesshandlungen, Willenserklärungen, Verträgen, Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Satzungen Auslegungsfehler unterlaufen sind (z.B. ein Vertrag nur unter Berücksichtigung seines Wortlautes und unter Außerachtlassung des Weiteren, unter Beweis gestellten Auslegungsstoffes ausgelegt worden ist),[28]
nach Durchführung der Beweisaufnahme Fehler bei der Beweiswürdigung unterlaufen sind (z.B. gesetzliche Vermutungen, Grundsätze des Anscheinsbeweises und anerkannte Erfahrungssätze unangewendet blieben).[29] Demgegenüber gehört die Beweiswürdigung als solche nicht zu den nachprüfbaren T...

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