Rz. 2

Mit dem Inkrafttreten der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) am 15.8.2015 wurden wesentliche Regelungen zur Rechtsnachfolge von Todes wegen in Fällen mit Auslandsbezug umstrukturiert.[4] Primäre Idee ist die Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts auch auf dem Gebiet des Erbrechts und die Vereinfachung der Abwicklung eines Nachlasses. Die EuErbVO findet Anwendung auf alle Todesfälle ab dem 17.8.2015, unabhängig von der vorherigen Errichtung eines Testaments, vgl. Art. 83 Abs. 1 EuErbVO. Mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Großbritannien gilt die EuErbVO in allen EU-Mitgliedstaaten. Sie erfasst weiterhin in Drittstaaten lebende EU-Bürger.[5] Unter Umständen bestehende Staatsverträge mit anderen Staaten, z.B. der Türkei, dem Iran oder den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, genießen aus deutscher Sicht Vorrang, Art. 75 EuErbVO.

 

Rz. 3

Während vor der Geltung der EuErbVO das Staatsangehörigkeitsprinzip galt, gilt nunmehr das Recht des Staates, in welchem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dass die Feststellung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts nicht immer zweifelsfrei erfolgen kann, machen Beispiele deutlich, in denen es um Grenz- oder Langzeitpendler (Stichwort "Mallorca-Rentner") oder auch Wanderarbeiter geht. Auch Fälle, in denen der Erblasser die Verlagerung seines gewöhnlichen Aufenthalts simuliert oder der demente Erblasser zur Kostenersparnis in ein ausländisches Pflegeheim gebracht wird, sind problematisch. Die testamentarische Regelung des gewöhnlichen Aufenthalts und eine damit verbundene Aufnahme einer Rechtswahl zugunsten des Aufenthaltsrechts ist in der EuErbVO nicht vorgesehen.

 

Rz. 4

Durch die mit dem Inkrafttreten der EuErbVO einhergehende Änderung des bis dato geltenden Art. 25 EGBGB wurde der Anwendungsbereich der EuErbVO auch auf solche Gegenstände ausgedehnt, die zwar nicht nach der Verordnung, wohl aber nach bisherigem autonomen deutschen internationalen Privatrecht erbrechtlich qualifiziert werden.

Die EuErbVO findet auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen Anwendung, mit Ausnahme von Steuer-, Zoll- und Verwaltungsangelegenheiten.[6] Weiterhin sind die ausgenommenen Angelegenheiten, wie sie in Art. 1 Abs. 2 EuErbVO genannt sind, zu beachten. Unter "Rechtsnachfolge von Todes wegen" versteht man jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge, durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge.[7] Die Form der letztwilligen Verfügung richtet sich nach dem Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht von 1961, welches durch Art. 26 EGBGB fast wörtlich ins deutsche Recht übernommen wurde.

 

Rz. 5

Es gilt der Grundsatz der Nachlasseinheit. Die EuErbVO bestimmt einheitlich für den gesamten Nachlass, welches nationale Erbrecht zur Anwendung kommt. Eine Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen findet nicht mehr statt.[8]

 

Beispiel

Die deutsche Staatsangehörige E lebt schon seit vielen Jahren auf ihrem Weingut in Südfrankreich. Als sie dort verstirbt, hinterlässt sie neben diesem Weingut noch eine Wohnung in Düsseldorf.

Grundsätzlich gilt in diesem Fall Art. 21 Abs. 1 EuErbVO und damit für den gesamten Nachlass französisches Recht, da E ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Erbfalls in Frankreich hatte. Ein Testament, in dem E das deutsche Recht als anwendbar bestimmt, liegt gerade nicht vor. Gemäß Art. 4 EuErbVO sind für die Entscheidungen in dieser Erbsache für den gesamten Nachlass die französischen Gerichte zuständig. Leben die Erben der E in Deutschland und möchten, dass deutsche Gerichte für die Angelegenheiten zuständig sind, können sie grundsätzlich eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen. Dies ist jedoch vorliegend ausgeschlossen, da Voraussetzung für ein solches Vorgehen die Rechtswahl zugunsten des deutschen Heimatrechts erforderlich ist. Auch ein Europäisches Nachlasszeugnis können die Erben der E aus demselben Grund nur an französischen Gerichten beantragen.

 

Rz. 6

Dieses Beispiel zeigt, dass in Fällen mit Auslandsbezug besondere Anforderungen an den Erblasser gestellt werden können, was die Regelung seines Vermögens angeht. Eine frühzeitige Nachlassplanung ist hier von besonderer Bedeutung. Dabei können folgende Fragen eine Hilfestellung bieten:

Wo liegt der derzeitige gewöhnliche Aufenthalt und wird dieser voraussichtlich beibehalten?
Was ist im Hinblick auf die Nachlassverteilung besonders relevant?
Muss eine Verfügung von Todes wegen errichtet werden?
Sollte eine Rechtswahl getroffen werden?[9]
[4] Siehe dazu vertiefend: Süß, Erbrecht in Europa, 4. Aufl. 2020; Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch, Internationales Erbrecht, 3. Aufl. 2019.
[6] Vgl. Art. 1 EuErbVO.
[9] Beachtet werden sollte in diesem Zusammenhang, dass ausländische erbrechtliche Regelungen erheblich von den deutschen Regelu...

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