Rz. 26

Eine Mitverursachung im Sinne des § 254 BGB liegt inhaltlich nur vor, wenn das in Frage stehende Handeln oder Unterlassen des Geschädigten ebenso äquivalent wie auch adäquat kausal für den Eintritt oder das Ausmaß des Schadens geworden ist. Hat sich demnach beispielsweise das Nichttragen eines Helms auf das "Ob und das Wie" eines Personen- und/oder Sachschadens eines (Motor-)Radfahrers nicht ausgewirkt, so bleibt es auch im Rahmen von § 254 BGB grundsätzlich außer Betracht.[80] Darüber hinaus wird eine Zurechnung nach § 254 BGB außerdem durch den Schutzzweck der Norm begrenzt: Die vom Geschädigten verletzte Norm bzw. Pflicht muss gerade den Zweck haben, Schäden wie den eingetretenen zu verhindern.[81] Das bedarf gerade im Verkehrsunfallrecht jeweils einer exakten Bestimmung des Schutzzwecks etwa verletzter Verhaltenspflichten.

 

Rz. 27

So kommt beispielsweise – auch über § 254 BGB – eine Anrechnung eines Mitverursachungsbeitrags eines Geschädigten, der mit seinem Kraftfahrzeug verkehrswidrig die linke Spur einer Straße befährt, bei der rechtlichen Bewertung der Folgen eines Unfalls nicht in Betracht, der beim Einfahren eines anderen Kraftfahrzeugs aus einem Grundstück in die Straße passiert. Denn der Verstoß des Geschädigten gegen das Rechtsfahrgebot schützt nicht den aus einem Grundstück in die Straße einfahrenden Verkehr.[82] Demgegenüber dient etwa die – verfassungsrechtlich unbedenkliche[83] – Verpflichtung zum Anlegen von Sicherheitsgurten (§ 21a StVO) der Verhinderung schwerwiegender Personenschäden infolge von Verkehrsunfällen; einen etwaigen Verstoß hiergegen, der zu entsprechenden Schäden geführt hat, muss sich der Geschädigte folglich anrechnen lassen.[84] Nichts anderes gilt, wenn ein Passant auf erkennbar nicht geräumtem oder gestreutem Gehweg zu Fall kommt, weil er die zum eigenen Schutz erforderliche Aufmerksamkeit vermissen lässt.[85]

[80] BGH, Urt. v. 6.11.2008 – VI ZR 171/07, r+s 2009, 79 Rn 8; anders aber – sogar prima facie-Beweis für Ursächlichkeit – bei Kopfschäden, vgl. BGH Urt. v. 9.9.2008 – VI ZR 279/06, NJW 2008, 3778; vgl. auch unten Rdn 51 ff., 101.
[81] BGH, Urt. v. 14.3.2006 – X ZR 46/04, NJW-RR 2006, 965.
[83] BVerfG, Erster Senat, Beschl. v. 24.7.1986 – 1 BvR 331/85, 1 BvR 623/85, 1 BvR 982/85, NJW 1987, 180.
[84] BGHZ 119, 268; näher unten Rdn 51.
[85] OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.1998 – 22 U 154/97, VersR 2000, 63; OLG München, Urt. v. 30.1.2003 – 19 U 4246/02, VersR 2003, 518.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge