1. Eheschließung
Rz. 139
Für die Prüfung der Wirksamkeit einer Eheschließung wird zwischen formellen und materiellen Voraussetzungen unterschieden. Für die materiellen Voraussetzungen (Heiratsalter, Fehlen von Ehehindernissen etc.) verweist Art. 13 Abs. 1 EGBGB für jeden der Ehegatten auf dessen Heimatrecht. Die Grenze bilden sog. zweiseitige Ehehindernisse, die nach ihrem Inhalt auch die Person des anderen Nupturienten einbeziehen.
Beispiel
So kann ein Deutscher eine fünfzehnjährige Iranerin heiraten, da diese nach ihrem Heimatrecht heiratsfähig ist. Eine Deutsche kann aber keinen bereits ein- oder mehrfach verheirateten Saudi heiraten, selbst wenn das saudische Recht diesem weitere Eheschließungen erlauben sollte, denn das Verbot der Mehrehe in § 1306 BGB ist zweiseitiges Ehehindernis, das Deutschen auch verbietet, bereits verheiratete Personen zu ehelichen.[82]
Rz. 140
Das verletzte Recht bestimmt auch die Folgen des Verstoßes. So wäre im Saudi-Fall die Ehe gem. §§ 1306, 1314 BGB aufhebbar, aber wirksam.[83] Bis zur Aufhebung beerben sich die Eheleute also gegenseitig als Ehegatten.
Rz. 141
Die Formwirksamkeit der Eheschließung ergibt sich gem. Art. 11 Abs. 1 Fall 2 EGBGB in den meisten Fällen aus dem Ortsrecht. Dabei wird der Gegenstand der Form weit gegriffen und umfasst z.B. das Erfordernis eines Aufgebots, das für die Eheschließung zuständige Organ und die Zulässigkeit der Stellvertretung. Auch Deutsche können daher z.B. in Italien oder Spanien vor dem katholischen Priester aus deutscher Sicht wirksam heiraten. Die sich aus Art. 11 Abs. 1 Fall 1, 13 Abs. 1 EGBGB für Ausländer grundsätzlich ergebende Möglichkeit, auch im Inland in der Form ihres gemeinsamen Heimatrechts zu heiraten, wird durch Art. 13 Abs. 3 S. 1 EGBGB ausdrücklich ausgeschlossen. In der Praxis hat man dennoch immer wieder mit Fällen zu tun, in denen Griechen vor dem Popen oder Türken und andere Orientalen vor einem islamischen Geistlichen in Deutschland geheiratet haben und die Ermächtigung des Geistlichen nach Art. 13 Abs. 3 S. 2 EGBGB nicht vorlag. Diese Ehen sind aus deutscher Sicht Nichtehen, es entstehen weder gesetzliche Erb- oder Pflichtteilsrechte noch güterrechtliche Ansprüche des Überlebenden.
Rz. 142
Praxishinweis
Bei religiöser Eheschließung im Inland sollte daher stets kontrolliert werden, ob diese vom deutschen Standesamt registriert worden ist. Falls nicht, kann beim Bundesverwaltungsamt in Köln, regelmäßig aber auch beim Standesamt am Eheschließungsort, angefragt werden, ob der Geistliche zur Trauung befugt war. Die religiöse Eheschließung im Ausland ist zumindest dann wirksam, wenn das Ortsrecht sie anerkennt, wobei ggf. weitere konstitutive Wirksamkeitserfordernisse zu beachten sind, wie z.B. die anschließende staatliche Registrierung der Ehe.[84] Bei konsularischer Eheschließung kann von der Wirksamkeit ausgegangen werden, wenn keiner der Nupturienten Angehöriger des Empfangsstaates war.
2. Die gleichgeschlechtliche Ehe
Rz. 143
Wie neuerdings auch in Deutschland[85] wird in einer zunehmenden Anzahl von Staaten nun die Eheschließung von Personen gleichen Geschlechts zugelassen (z.B. Belgien, Dänemark, Frankreich, Island, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien, einzelne Staaten der USA). Für die Wirkungen solcher Beziehungen gelten in den meisten dieser Länder die Regeln für Eheleute unmittelbar. Aus deutscher Sicht stellt sich dann die Frage, ob eine solche Beziehung als "Ehe" i.S.v. Art. 13 EGBGB[86] oder als "eingetragene Lebenspartnerschaft" i.S.v. Art. 17b EGBGB zu behandeln ist (Qualifikation). Geht man davon aus, dass auch die eingetragene Lebenspartnerschaft nach deutschem Recht weitestgehend der Ehe angeglichen ist, darf man sich nicht auf die vom ausländischen Gesetzgeber gewählte Bezeichnung fixieren (das wäre eine "Qualifikation lege causae"), sondern muss ausgehend von der Systematik des deutschen IPR jede rechtsförmlich begründete gleichgeschlechtliche Partnerschaft unter Art. 17b EGBGB fassen (funktionelle Qualifikation).[87] Bei Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe hat man sich entschlossen, diese Lösung in Art. 17b Abs. 4 EGBGB gesetzlich festzuschreiben, und verhindert auf dies...
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