Rz. 28

Da auch F Einkommen hat und die Eltern von K, also M und F zusammenleben, wird der Barbedarf des Kindes durch ein isoliertes Abstellen auf das Einkommen des M nicht richtig abgebildet.

Deshalb ist der Bedarf des Kindes K nach dem zusammengerechneten Einkommen von M und F zu ermitteln und auch bei F deren Haftungsanteil zu berücksichtigen.

 

BGH, Beschl. v. 15.2.2017 – XII ZB 201/16

Vom unterhaltsrelevanten Einkommen abzusetzen ist allerdings ein nicht anderweitig gedeckter vorrangiger Barunterhalt an das Kind (oder ein an dessen Stelle tretender Naturalunterhalt; vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 11.1.2017 – XII ZB 565/15, juris Rn 24 f., 28 f.).

Der Unterhaltsbedarf richtet sich beim Verwandtenunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Bei minderjährigen Kindern, die noch im Haushalt (mindestens) eines Elternteils leben, handelt es sich dabei um eine abgeleitete Lebensstellung. Sie leitet sich grundsätzlich von beiden Elternteilen ab, so dass bei der Bedarfsbemessung auf die zusammengerechneten Einkünfte beider Eltern abzustellen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 11.1.2017 – XII ZB 565/15, juris Rn 25 und Senatsurteil vom 17.12.2003 – XII ZR 224/00, FamRZ 2004, 370, 373).

Insoweit besteht auch kein Unterschied zu einem abgeleiteten Barunterhaltsanspruch eines volljährigen Kindes, der sich ebenfalls nach den zusammengerechneten Einkünften beider Elternteile bemisst (vgl. Senatsurteil vom 2.3.1994 – XII ZR 215/92, FamRZ 1994, 696, 698).

Auf diesen Unterhaltsbedarf des Kindes ist gemäß § 1612b Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 BGB das hälftige Kindergeld anzurechnen. Denn nach der gesetzlichen Regelung in § 1612b Abs. 1 S. 1 BGB entlastet das Kindergeld die Eltern minderjähriger Kinder zur Hälfte von ihrer Barunterhaltspflicht und steht zur anderen Hälfte dem betreuenden Elternteil (im Wechselmodell den betreuenden Elternteilen) zu (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11.1.2017 – XII ZB 565/15, juris Rn 47 ff. und vom 20.4.2016 – XII ZB 45/15, FamRZ 2016, 1053 Rn 23 ff.).

Die Kinderbetreuung (Unterhalt in Form der Betreuung) ist nicht in Geld zu veranschlagen und vom Einkommen abzuziehen. Kinderbetreuung kann allenfalls dazu führen, dass das Einkommen ganz oder teilweise aus überobligatorischer Tätigkeit resultiert und deswegen nur teilweise zu berücksichtigen ist.

 

BGH, Beschl. v. 15.2.2017 – XII ZB 201/16

Im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt ist der vom Unterhaltsschuldner an sein minderjähriges Kind geleistete Betreuungsunterhalt nicht zu monetarisieren.

… ist die Betreuung des Kindes nicht unmittelbar einkommensmindernd, sondern kann sich unter den Voraussetzungen der §§ 1570 Abs. 1 S. 2 und 3, Abs. 2, 1615l Abs. 2 S. 4 und 5 BGB die daneben geleistete Erwerbstätigkeit als überobligatorisch darstellen (Senatsbeschluss. v. 11.11.2015 – XII ZB 7/15, FamRZ 2016, 199 Rn 17). Dann wäre das neben der Kinderbetreuung erzielte Einkommen im Rahmen der Unterhaltsbemessung nur anteilig zu berücksichtigen (Senatsbeschluss BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rn 17, 23 und Senatsurteil BGHZ 162, 384 = FamRZ 2005, 1154, 1156 f.).

Zudem sind der gesamte Kindesunterhalt bzw. die Haftungsanteile von M und F um 10 % zu erhöhen – hierdurch wird dem aus dem Zusammenleben resultierenden größeren Wohlstand, an dem das Kind teilhat, Rechnung getragen.

 

Hinweis

Diese Rechenweise[11] hätte für die Bestimmung der Kindesunterhaltsverpflichtung des M keine Bedeutung, wenn M und F getrennt wären und M barunterhaltspflichtig wäre. Der Barunterhalt würde sich ausschließlich nach dem Einkommen des M bestimmen.

M und F haben ein gemeinsames Einkommen von 4.500 EUR (3.500 EUR + 1.000 EUR).

DT Einkommensgruppe 8 (4.301 EUR – 4.700 EUR), 3. Altersstufe: 768 EUR.

Nach Abzug des hälftigen (Minderjährigenunterhalt!) Kindergeldes ergibt sich: 658,50 EUR (768 EUR – 109,50 EUR).

Das Einkommen des M beträgt 78 % vom Gesamteinkommen (3.500 EUR : 4.500 EUR = 0,78 = 78 %)

Das Einkommen der F beträgt 22 % vom Gesamteinkommen (1.000 EUR : 4.500 EUR = 0,22 = 22 %)

M hat also 78 % des Unterhalts von 658,50 EUR zu tragen. Dies sind 514 EUR.

Dieser Betrag ist aus den oben genannten Gründen (Zusammenleben von M und F) um 10 % zu erhöhen.

Es ergibt sich eine rechnerische Unterhaltslast des M von 565 EUR (514 × 110 %).

M verbleiben nach Abzug des Kindesunterhalts 2.935 EUR (3.500 EUR – 565 EUR).

Zudem ist M auch seiner Ehefrau F unterhaltspflichtig.[12]

[11] Vgl. hierzu ausführlich und mit Rechenbeispielen Gutdeutsch, FamRZ 2014, 1969). Im Unterhaltsberechnungsprogramm "winfam" sieht Gutdeutsch in den Standardeinstellungen des Programms wieder vom 10 %igen Zuschlag beim Kindesunterhalt ab.
[12] Vgl. zu diesem Fall Wendl/Wönne, Unterhaltsrecht, § 2 Rn 1007.

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