Rz. 1

§ 9 TzBfG gewährt teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern einen Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes, wenn sie ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit verlängern möchten.

 

Rz. 2

Damit bildet § 9 TzBfG gleichsam das Pendant zu dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG (dazu oben § 12). Die Regelung ist aber nicht beschränkt auf solche Arbeitnehmer, die zuvor einen Teilzeitanspruch nach § 8 TzBfG geltend gemacht haben (dazu unten Rdn 22).

 

Rz. 3

Indem nach § 9 TzBfG ein echter Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit[1] besteht, geht das deutsche Recht über die europarechtlichen Vorgaben aus der Teilzeitarbeit-Richtlinie 97/81/EG, die wiederum aus der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit hervorgegangen war, hinaus. Das Europarecht gibt den einzelnen Mitgliedstaaten nämlich lediglich eine Soll-Vorschrift auf den Weg:

 

Rz. 4

 

§ 5 Teilzeitarbeit-Richtlinie 97/81/EG Teilzeitarbeitsmöglichkeiten

(1)
(2)
(3)

Die Arbeitgeber sollten, soweit dies möglich ist,

a)
b) Anträge von Teilzeitbeschäftigten auf Wechsel in ein Vollzeitarbeitsverhältnis oder auf Erhöhung ihrer Arbeitszeit, wenn sich diese Möglichkeit ergibt, berücksichtigen;
c)
d)
e)
 

Rz. 5

Die Regelung in § 9 TzBfG enthält den Hebel, mit Hilfe dessen der Gesetzgeber bei aller politisch gewollten Förderung der Teilzeitarbeit den Bedürfnissen vieler Arbeitnehmer nach höherem Einkommen (durch mehr Arbeit) entsprechen möchte. Das (angebliche) Phänomen, dass Mitarbeiter trotz gegenteiligen Wunschs in einer Teilzeittätigkeit verhaftet bleiben, wurde im Zuge der Koalitionsbildung nach der jüngsten Bundestagswahl in einer breiten Öffentlichkeit unter dem Stichwort der Teilzeitfalle diskutiert. Die Kritik hat dazu geführt, dass nunmehr die Möglichkeit zur befristeten Teilzeit geschaffen wurde – sog. Brückenteilzeit nach § 9a TzBfG; siehe dazu § 12 Rdn 75 ff.

 

Rz. 6

Zugleich wurde die bislang relativ knappe Norm des § 9 TzBfG durch dasselbe Gesetz[2] erheblich überarbeitet und gesetzestechnisch an die Anspruchsnormen zur Teilzeit angepasst. § 9 TzBfG lautet in seiner seit dem 1.1.2019 geltenden Fassung:

 

§ 9 TzBfG n.F.

Verlängerung der Arbeitszeit

1Der Arbeitgeber hat einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm in Textform den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, bei der Besetzung eines Arbeitsplatzes bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass

1. es sich dabei nicht um einen entsprechenden freien Arbeitsplatz handelt oder
2. der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer nicht mindestens gleich geeignet ist wie ein anderer vom Arbeitgeber bevorzugter Bewerber oder
3. Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer oder
4. dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.

2Ein freier zu besetzender Arbeitsplatz liegt vor, wenn der Arbeitgeber die Organisationsentscheidung getroffen hat, diesen zu schaffen oder einen unbesetzten Arbeitsplatz neu zu besetzen.

 

Rz. 7

Abgesehen von dem völlig neuen zweiten Satz, der eine Konzessionsentscheidung des Gesetzgebers gewesen zu sein scheint,[3] gibt die Neuregelung inhaltlich letztlich den bisherigen Regelungsstand wieder, so dass die von der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze unverändert anwendbar bleiben.[4] Allerdings sind zwei gewichtige formale Änderungen erfolgt: Zum einen besteht der Bevorzugungsanspruch nur noch nach einer Anzeige, die wenigstens der Textform bedarf; bislang bestand keine Formvorgabe. Zum anderen ist durch die neue Formulierung "es sei denn, dass" die Beweislast auch für den entsprechenden freien Arbeitsplatz und die mindestens gleiche Eignung auf den Arbeitgeber verlagert. Dies betraf nach bisherigem Recht nur die Arbeitszeitwünsche anderer Teilzeitbeschäftigter und die sonstigen dringenden betrieblichen Gründe.

[2] Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts – Einführung einer Brückenteilzeit vom 11.12.2018, BGBl I 2018/45.
[3] Näher Düwell, juris-PR-ArbR 26/2018 Anm. 1 C. IV.
[4] Gesetzesbegründung, BT-Drucks 19/3452 S. 16 (zu Nummer 3).

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