Rz. 7

I.R.d. sog. Sozienklausel (§ 12 AVB) wird Deckungsschutz für alle Sozien zusammen mit einer einheitlichen Durchschnittsleistung vereinbart. Damit wird dafür gesorgt, dass die in einer Kanzlei – welchen Zuschnitts und Organisation auch immer – bestehenden Risiken gleichmäßig auf alle Berufsträger und deren Versicherer verteilt werden. Außerdem vermeidet man unnötige kanzleiinterne Auseinandersetzungen und Streit zwischen den Versicherern darüber, wer letztlich den Schaden verursacht hat. Schlussendlich wirkt die Sozienklausel auch als Kumulsperre, indem nicht jeder Anwalt über seine gesamtschuldnerische Haftung den für ihn bestehenden vollen Versicherungsschutz abrufen und damit zu einer Vervielfachung der Versicherungssummen kommen könnte.[8]

 

Rz. 8

Bei der Anwendung der Sozienklausel wird in einem ersten Schritt geprüft, welche Versicherungsleistung für jeden einzelnen Sozius zur Verfügung stehen würde, wenn man dessen Versicherungsschutz isoliert betrachtet. Anschließend wird aus den – möglicherweise unterschiedlichen – Versicherungsleistungen das arithmetische Mittel berechnet. Unterschiedlich hohe Deckungssummen verschiedener Sozien einer Kanzlei können sich deshalb auch dann für die Versicherungsnehmer ungünstig auswirken, wenn der das Mandat tatsächlich bearbeitende Anwalt an sich ausreichend versichert ist. Deckungslücken ergeben sich, wenn die Höhe des Schadens über der Summe der niedrigsten Deckung liegt.

 

Rz. 9

 

Beispiel

Hat in einer aus drei Rechtsanwälten bestehenden Sozietät Sozius A eine Versicherungssumme von 250.000,00 EUR, Sozius B eine solche von 500.000,00 EUR und Sozius C eine von 1.000.000,00 EUR, und unterläuft nun einem Sozius (gleichgültig welchem) ein Berufsversehen, das einen Schaden von 700.000,00 EUR zur Folge hat, ergibt sich folgende Berechnung der Versicherungsleistung:[9]

Für Sozius A hätte der Versicherer die vereinbarte Versicherungssumme von 250.000,00 EUR voll zur Verfügung zu stellen. So hoch wäre die Deckung für A, wenn die Versicherung allein für ihn ("ohne Sozius zu sein") eintreten müsste. Für Sozius B wäre dementsprechend der Betrag von 500.000,00 EUR aufzuwenden. Bei Sozius C wären 700.000,00 EUR zu bezahlen, abzgl. des vereinbarten Selbstbehalts[10] (vgl. Rdn 94), der im Beispielsfall entsprechend § 51 Abs. 5 BRAO 2.500,00 EUR betragen soll. Somit würde für C, wäre er kein Sozius, eine Versicherungsleistung von 697.500,00 EUR zu erbringen sein.

Nach § 12 II Nr. 1 AVB ist nun eine "fiktive Gesamtleistung" zu ermitteln durch Addition der soeben für A, B und C ermittelten Summen, also 250.000,00 EUR + 500.000,00 EUR + 697.500,00 EUR = 1.447.500,00 EUR. Dieser Betrag ist durch die Zahl der Sozien, also drei, zu teilen, sodass sich eine Durchschnittsleistung von 482.500,00 EUR ergibt. Die Sozietät müsste den auf die Schadensumme von 700.000,00 EUR fehlenden Betrag von 217.500,00 EUR aus eigenen Mitteln aufbringen.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass alle Mitglieder einer Sozietät zweckmäßigerweise Verträge mit ausreichend hohem und identischem Deckungsumfang abschließen sollten.[11] Andernfalls kann es für einzelne Sozien trotz ausreichender Versicherungssumme zu Kürzungen kommen. Aus der Sicht desjenigen Sozius, dessen Versicherungssumme nicht ausreicht, stellt § 12 AVB allerdings auch eine Deckungserweiterung dar: Der oder die Versicherer zahlen insgesamt mehr auf den Schadenfall als bei der Einzelbetrachtung allein auf seine Police entfiele.

 

Rz. 10

Wer jeweils als Sozius gilt, regelt § 1 II AVB. Entscheidend ist der Auftritt der Sozietät nach außen hin, nicht das interne vertragliche Verhältnis. Also kann auch eine intern eigentlich als Bürogemeinschaft organisierte Kanzlei unter die Sozienklausel fallen, wenn diese sich nach außen hin als Sozietät darstellt. Eine explizit als Kooperation bezeichnete Verbindung ist keine Sozietät; hier gilt § 12 AVB nicht.[12]

[8] Ausführlich dazu Chab, AnwBl. 2012, 191.
[9] Vgl. auch die Rechenbsp. von Brieske, AnwBl. 1995, 225, 230; Burger, AnwBl. 2004, 304, 306; MAH VersR/Sassenbach, § 18 Rn 47; Gräfe/Brügge, D Rn 572 ff. und Mennemeyer/Hugemann, in: Fahrendorf/Mennemeyer, Rn 2706.
[10] Da der Selbstbehalt von der Haftpflichtsumme, nicht von der Deckungssumme, abgezogen wird, wirkt sich dieser für Sozius A und B nicht weiter aus. An dieser Stelle ist im entsprechenden Bsp. bei Mennemeyer/Hugemann, in: Fahrendorf/Mennemeyer, Rn 2706, nicht richtig gerechnet, in Rn 2693 allerdings korrekt erwähnt, wie mit dem Selbstbehalt eigentlich zu verfahren ist.
[11] Brieske, AnwBl. 1995, 225, 230; MAH VersR/Sassenbach, § 18 Rn 47.

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