Rz. 37

Ertragsteuerliches Ziel der beratenden Gestaltung im Zusammenhang mit der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ist i.d.R., dass der Übernehmer die zu erbringenden Versorgungsleistungen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG abziehen kann, während der Übergeber korrespondierend hierzu Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen nach § 22 Nr. 1a EStG zu versteuern hat. Denn häufig hat der Übergeber nach der Übergabe geringere Einkünfte als der Übernehmer, sodass die Vorteile aus dem Sonderausgabenabzug beim Übernehmer die steuerlichen Nachteile der Versteuerung beim Übergeber überwiegen. Dieses Ziel kann seit der Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. durch das JStG 2008 nur noch in wenigen Fällen erreicht werden, nämlich ausschließlich dann, wenn die Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung eines Mitunternehmeranteils an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, der Übertragung eines Betriebs oder der Übertragung bestimmter GmbH-Anteile zu erbringen sind (hierzu siehe Rdn 38).[69]

Zur Veranschaulichung der möglichen ertragsteuerlichen Vorteile folgendes kurzes Berechnungsbeispiel:

 

Beispiel

Sohn S hat sich im Übergabevertrag verpflichtet, seinem Vater V als Gegenleistung für die Übertragung sämtlicher Gesellschaftsanteile aus der gewerblich tätigen (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) XY KG jährlich 40.000 EUR zu zahlen. Aus Vereinfachungsgründen soll der Steuersatz des V 30 Prozent und der des Sohns S (z.B. aufgrund sonstiger Einkünfte) 40 Prozent betragen.

Die XY-KG erwirtschaftet im Jahr 2022 von S zu versteuernde Gewinne i.H.v. 100.000 EUR.

Variante 1:

Die Zahlungen an V sind bei diesem nicht als Einkünfte zu versteuern und können korrespondierend von S nicht als Sonderausgaben abgezogen werden:

S hat ein zu versteuerndes Einkommen i.H.v. 100.000 EUR, sodass er 40.000 EUR (40 Prozent) zu versteuern hat. V hat keine Steuern zu zahlen, sodass die Steuerlast von V und S insgesamt 40.000 EUR beträgt.

Variante 2:

V hat die Zahlungen seines Sohns in voller Höhe als wiederkehrende Bezüge nach § 22 Nr. 1a EStG zu versteuern, S kann sie nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG als Sonderausgaben abziehen.

S versteuert 60.000 EUR (100.000 – 40.000 EUR) und zahlt hierauf 24.000 EUR Steuern (40 Prozent). V hat 40.000 EUR mit seinem persönlichen Steuersatz von 30 Prozent zu versteuern, sodass er 12.000 EUR an Steuern zahlt.

Die Gesamtsteuerlast von V und S beträgt in Variante 2 36.000 EUR, sodass eine Ersparnis i.H.v. 4.000 EUR gegenüber der Gestaltung in Variante 1 vorliegt.

 

Rz. 38

Durch die Änderung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. können seit dem 1.1.2009 nur noch bestimmte Vermögenseinheiten zum Substrat einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen gemacht werden, nämlich im Wesentlichen nur noch echte Mitunternehmeranteile und Betriebsvermögen. Mit BMF-Schreiben v. 11.3.2010 ist in dem sog. Rentenerlass IV[70] die ertragsteuerliche Behandlung umfassend geregelt worden. Seither wurde es still um die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen.[71]

 

Rz. 39

Die ertragsteuerliche Anerkennung von Versorgungsleistungen als Sonderausgaben setzt – kurz zusammengefasst – Folgendes voraus:

(1) Es muss eine nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG begünstigte Wirtschaftseinheit übertragen werden. Begünstigt sind Mitunternehmeranteile an Personengesellschaften mit landwirtschaftlicher, gewerblicher oder freiberuflicher Tätigkeit. Durch die ausdrückliche Bezugnahme auf § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG fallen gewerblich geprägte Personengesellschaften ohne gewerbliche Tätigkeit i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG nicht hierunter.[72] Weiterhin begünstigt sind Betriebe oder Teilbetriebe nach §§ 6 Abs. 3, 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG und schließlich GmbH-Anteile, sofern mindestens die Hälfte der Geschäftsanteile übertragen werden und der Übernehmer die Geschäftsführertätigkeit des Übergebers fortführt.
(2) Der Übernehmer muss wenigstens teilweise eine unentgeltliche Zuwendung erhalten. Bei Vermögensübertragungen an Angehörige wird dies allerdings widerlegbar vermutet.[73]
(3) Die übertragene Wirtschaftseinheit muss ausreichend Ertrag bringend sein. Dies ist der Fall, wenn nach überschlägiger Berechnung die wiederkehrenden Leistungen nicht höher sind als der langfristig erzielbare Ertrag des übergebenen Vermögens.[74]
(4) Versorgungsleistungen werden regelmäßig nur dann als wiederkehrende Leistungen anerkannt, wenn sie auf die Lebenszeit des Empfängers gewährt werden.[75]
(5) Empfänger des Vermögens können sowohl die Abkömmlinge als auch grundsätzlich gesetzlich erbberechtigte entfernte Verwandte des Übergebers sein.[76]
(6) Allerdings können Empfänger der Versorgungsleistungen primär nur der Übergeber selbst, dessen Ehegatte und die gesetzlich erb- und pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge des Übergebers sowie der Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sein. Nicht zum Generationennachfolge-Verbund gehörende Personen (z.B. langjährige Haushälterin, Lebensgefährtin, Mitarbeiter im Betrieb) können nicht Empfänger von Versorgu...

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