Rz. 9

Als Ausnahme vom Grundsatz des § 253 Abs. 1 BGB sieht insbesondere dessen Absatz 2 für bestimmte, enumerativ aufgezählte Rechtsgutsverletzungen – im hier interessierenden Kontext namentlich die Verletzung des Körpers und der Gesundheit (einhelliger Ansicht nach nicht jedoch auch des Lebens als solchem,[16] wiewohl streng genommen jede Tötung stets eine, wenn nicht sogar die gravierendste Verletzung des Körpers und der Gesundheit mitumfasst) – einen Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld vor. Dabei ist zu beachten, dass § 253 Abs. 2 BGB – entgegen seinem insoweit missverständlichen Wortlaut ("kann (...) verlangen“, vgl. auch § 194 Abs. 1 BGB) – ausweislich seiner Stellung in den haftungsausfüllenden Normen der §§ 249 ff. BGB keine eigene Anspruchsgrundlage darstellt, das heißt, keinen Anspruch begründet, einen anderweitig begründeten solchen vielmehr voraussetzt.[17]"

 

Rz. 10

Eine erweiternde, analoge Anwendung dieser Ausnahmevorschrift auf Fälle der Verletzung sonstiger Rechtsgüter kommt im Übrigen nicht in Betracht. Das gilt insbesondere auch für eine – vor allem außerhalb des hier interessierenden Bereichs des Unfallhaftpflichtrechts relevante – Verletzung des richterrechtlich aus Art. 1 und 2 GG abgeleiteten und als "sonstiges Recht" im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB anerkannten allgemeinen Persönlichkeitsrechts.[18] Diese soll nach dem Willen des Gesetzgebers weiterhin entsprechend dem höchstrichterlich etablierten Konzept als ein Anspruch eigener Art anzusehen sein und eigenständig kompensiert werden.[19] Entsprechend dem erklärten und durch die systematische Stellung im allgemeinen Schadensrecht unzweideutig unterstrichenen gesetzgeberischen Willen findet § 253 Abs. 2 BGB – wie gesehen – generell, das heißt nicht mehr nur – wie § 847 BGB a.F. – auf deliktische Haftung Anwendung, sondern namentlich etwa auch im Rahmen vertraglicher Haftung oder Gefährdungshaftung.

 

Rz. 11

Ausgeschlossen sind solche Entschädigungsansprüche trotz entsprechender Rechtsgutsverletzung wiederum – in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise[20] – gemäß §§ 104 ff. SGB VII, § 46 BeamtVG und § 91a SoldVG[21] bei (allenfalls) fahrlässig verursachten Arbeits-, Dienst- und Wehrdienstunfällen; und zwar sowohl für Versicherte gegenüber ihrem Arbeitgeber als auch für die Versicherten untereinander, insbesondere für betriebsangehörige Arbeitnehmer, Kinder in Kindergärten, (Berufs-)Schüler, Studenten bei Betriebs- bzw. schulbezogenen Unfällen. Nach neuerer Rechtsprechung umfasst hingegen auch der allgemeine Aufopferungsanspruch wegen eines hoheitlichen Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit nichtvermögensrechtliche Nachteile des Betroffenen.[22]

[16] BGH, Beschl. v. 18.6.2015 – VI ZR 430/13, BeckRS 2015, 12850 Rn 3; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Kap. A, Rn 20; ­MüKo-BGB/Oetker, § 253 BGB, Rn 28; Staudinger/Schiemann, BGB § 253, Rn 21.
[17] Vgl. BeckOK-BGB/Spindler, § 253 BGB, Rn 7 m.w.N.
[18] Vgl. BVerfG, 3. Kammer des 1. Senats, B. v. 2.4.2017 – 1 BvR 2194/15, NJW-RR 2017, 879; BGHZ 13, 334; BGHZ 128, 1, 15; BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12, BGHZ 201, 45; Urt. v. 23.5.2017 – VI ZR 261/16, juris; BGH, Urt. v. 29.5.2018 – VI ZR 56/17, juris; PWW/Luckey, § 253, Rn 25 ff. m.w.N.
[19] Vgl. BT-Drucks 14/7752 S. 24 f.; OLG Köln, Urt. v. 19.1.2010 – 24 U 51/09, NJW 2010, 1676; MüKo-BGB/Oetker, § 253 BGB, Rn 27; PWW/Luckey, § 253 BGB, Rn 8, 26: Die richterrechtlich entwickelte Buße steht also nach wie vor "ohne Anhalt im BGB neben dem Schmerzensgeld" gemäß § 253 Abs. 2 BGB. Vgl. dazu auch Neuner JuS 2013, 577, 580 f.
[20] Vgl. BVerfG, 1. Senat, Beschl. v. 7.11.1972– 1 BvL 4/71, 1 BvL 17/71, 1 BvL 10/72, 1 BvR 355/71, NJW 1973, 502; BVerfG, 1. Senat 2. Kammer, Beschl. v. 8.2.1995 – 1 BvR 753/94, NJW 1995, 1607.
[21] Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 9.2.1993 – VI ZR 23/92, NZV 1993, 227; Neuner JuS 2013, 577, 579; §§ 104, 105 SGB VII (ebenso § 46 Abs. 1 BVersG und § 91a SoldVersG); dazu auch Staudinger/Schiemann, BGB § 253, Rn 27.
[22] So nunmehr BGH, Urt. v. 7.9.2017 – III ZR 71/17 (juris, Leitsatz und Rn 5 ff. bzw. NJW 207, 3384 m. Anm. Singbartl/Zintl) unter Aufgabe der früheren Senatsrechtsprechung, etwa Urt. v. 13.2.1956 – III ZR 175/54, BGHZ 20, 61, 68 ff.

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