I. Klageantrag

1. Unbezifferte Leistungsklage

 

Rz. 47

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss eine Klageschrift grundsätzlich einen bestimmten Antrag enthalten. Leistungsklagen sind demgemäß an sich zu beziffern. Hiervon wird jedoch – zu Recht – eine Ausnahme gemacht, wenn die Bestimmung des gesetzlich geschuldeten Betrags von einer gerichtlichen Schätzung nach § 287 ZPO oder vom billigen Ermessen des Gerichts abhängt.[171] Der in der forensischen Praxis häufigste Fall solcher ausnahmsweise zulässigen unbezifferten Leistungsklagen sind Schmerzensgeldklagen. Ein Antrag, den/die Beklagte/n zur Zahlung eines "angemessenen Schmerzensgelds" zu verurteilen, ist demnach anerkanntermaßen zulässig.[172]

 

Rz. 48

Die Klagepartei hat allerdings in der Klagebegründung zumindest geeignete tatsächliche Grundlagen für die gerichtliche Bemessung vorzutragen.[173] Soweit die ältere Rechtsprechung darüber hinaus für die Bestimmtheit und damit Zulässigkeit einer Klage zusätzlich die Mitteilung einer Größenordnung des beanspruchten Schmerzensgeldes oder eines Mindestbetrags für unverzichtbar hielt,[174] wofür freilich sogar das – nachträgliche und stillschweigende – Zu-Eigen-Machen der gerichtlichen Streitwertfestsetzung ausreichen sollte,[175] wird dies richtigerweise nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung für die zulässige Erhebung einer Schmerzensgeldklage nicht mehr gefordert.[176] Solche Angaben sind jedoch gleichwohl nach wie vor sinnvoll und notwendig, um sich die Möglichkeit eines Rechtsmittels zu erhalten. Denn bei fehlender Angabe einer Untergrenze wird die Klagepartei nicht beschwert, wenn das vom Gericht festgesetzte Schmerzensgeld unter ihren – nicht mitgeteilten – Erwartungen liegt.[177]

[171] St. Rspr. seit RGZ 21, 386; vgl. auch BGHZ 45, 91; BGHZ 132, 341, 350 m.w.N.
[172] Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge, A. Allg. Teil VI. 1 a.
[173] Vgl. BGHZ 4, 138, 142.
[174] Vgl. BGH, Urt. v. 9.7.1974 – VI ZR 236/73, VersR 1974, 1182, 1183; BGH, Beschl. v. 21.6.1977 – VI ZA 3/75, VersR 1977, 861; BGH, Urt. v. 13.10.1981 – VI ZR 162/80, VersR 1982, 96.
[176] BGHZ 132, 341; BGHZ 140, 335; vgl. dazu auch v. Gerlach, VersR 2000, 525, 526; Geigel/Pardey, Haftpflichtprozess, 7. Kap., Rn 25; a.A. MüKo-BGB/Oetker, § 253 BGB, Rn 67.
[177] Vgl. BGHZ 140, 335; BGH, B. v. 24.3.2016 – III ZR 52/15, BeckRS 2016, 6846; BeckOK-BGB/Spindler, § 253 BGB, Rn 74 m.w.N.; Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeld, A. Allg. Teil VI 1.

2. Schmerzensgeld-Rente

 

Rz. 49

Wird (auch) die Verurteilung zur Zahlung einer Schmerzensgeldrente begehrt, sollte ein entsprechender Klagantrag sicherheitshalber gestellt werden, denn es ist jedenfalls streitig und höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärt, ob das Gericht hierüber auch unabhängig von einem Antrag auf Kapital und/oder Rente erkennen kann.[178] Die Notwendigkeit eines entsprechenden Klageantrags kann wohl noch nicht alleine durch Verweis auf § 308 ZPO ("ne ultra petita") begründet werden. Da der Zuspruch einer Einmalsumme bzw. einer Schmerzensgeldrente im Ergebnis nur auf unterschiedliche Auszahlungsformen des gleichen, insgesamt als angemessen erachteten (Gesamt-)Schmerzensgeldbetrags zielen,[179] wird einer Klagepartei in einem solchen Falle schließlich kein "Mehr" zugesprochen.[180] Erheblich sind jedoch die unterschiedlichen Rechtskraftwirkungen: Anders als ein auf Zahlung eines Einmalbetrags lautendender Titel ist ein solcher auf Rentenzahlung anerkanntermaßen der (analogen) Anwendung von § 323 ZPO zugänglich,[181] was einer Klagepartei richtiger Ansicht nach nicht ohne deren erklärten Willen "aufgezwungen" werden darf.[182]

[178] Insoweit offen gelassen in BGH, Urt. v. 21.7.1998 – VI ZR 276/97, NJW 1998, 3411; für die Notwendigkeit eines entsprechenden Antrags: OLG Brandenburg, Urt. v. 9.2.2006 – 12 U 116/05, r+s 2006, 260; Geigel/Pardey, Haftpflichtprozess, 7. Kap. Rn 19, 26; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Rn 299; MüKo-BGB/Oetker, § 253 BGB, Rn 57; a.A. Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeld, A. Allg. Teil VI 1; Staudinger/Schiemann, § 253, Rn 46.
[179] Vgl. Diederichsen, VersR 2005, 433 m.w.N.; zur Berechnung im Einzelnen Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Rn 300.
[180] A.A. MüKo-BGB/Oetker, § 253 BGB, Rn 57 m.w.N.
[181] Vgl. Diederichsen, VersR 2005, 433; näher dazu auch Halm/Scheffler, DAR 2004, 71.
[182] So zutreffend Geigel/Pardey, Haftpflichtprozess, 7. Kap. Rn 26; für die Maßgeblichkeit des von der klagenden Partei vorgegebenen Rechtsschutzziels vgl. auch BGH, Urt. v. 15.5.1984 – VI ZR 155/82, VersR 1984, 739, wonach ein Kläger, der mit seiner auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gerichteten Klage in erster Linie eine Geldrente und nur hilfsweise einen Kapitalbetrag begehrt, auch dann beschwert ist, wenn das Gericht lediglich dem Hilfsantrag stattgibt, selbst wenn Kapital und Rente wertmäßig gleich zu erachten sind.

3. Teilklage

 

Rz. 50

Unabhängig von der materiell-rechtlichen Einheitlichkeit des einem Geschädigten ggfs. zustehenden Anspruchs auf Schmerzensgeld ...

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