Rz. 50

Unabhängig von der materiell-rechtlichen Einheitlichkeit des einem Geschädigten ggfs. zustehenden Anspruchs auf Schmerzensgeld ist der Klageantrag auf Zahlung gerichtet und schon deshalb teilbar[183] und prozessual demgemäß eine offene Teilklage möglich, sofern der geltend gemachte Teil eindeutig individualisierbar ist. So hat es bereits das Reichsgericht für zulässig erachtet, den Betrag des Schmerzensgelds zuzusprechen, der dem Verletzten zum Zeitpunkt der Entscheidung mindestens zusteht, und später den zuzuerkennenden Betrag auf die volle abzuschätzende Summe zu erhöhen, die der Verletzte aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der für den immateriellen Schaden maßgeblichen Umstände beanspruchen kann, wenn sich nicht endgültig sagen lässt, welche Änderungen des gesundheitlichen Zustands noch eintreten können.

 

Rz. 51

Dieser Rechtsauffassung hat sich der zuständige Senat des Bundesgerichtshofs zu Recht angeschlossen und es ausdrücklich für zulässig erklärt, dass eine Klagepartei nur einen Teilbetrag eines Schmerzensgelds geltend macht und bei der Bemessung der Anspruchshöhe nur die Berücksichtigung der Verletzungsfolgen verlangt, die bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten sind; denn insoweit ist eine hinreichende Individualisierbarkeit ohne weiteres gewährleistet.[184] Weder muss dafür bereits die Höhe eines Gesamtbetrags feststehen, vielmehr lediglich ein zusprechbarer Mindestbetrag, noch ergeben sich aus dem Zuspruch einer solchen Mindestsumme ungeklärte Rechtskraftprobleme oder wird dadurch in unzulässiger Weise ein einheitlicher Lebenssachverhalt geteilt.[185] In einem etwaigen Folgeprozess ist dann die spätere, im Erstprozess unberücksichtigt gebliebene Schadensentwicklung nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr ist zu fragen welches Gesamtschmerzensgeld zu zahlen gewesen wäre, wenn die spätere Unfallfolge von vorneherein in die ursprüngliche Schadensberechnung Eingang gefunden hätte. Nur die Differenz zur Urteilssumme des Erstprozesses ist zuzusprechen.[186]

[183] Vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2004 – VI ZR 70/03, NJW 2004, 1243, 1244; ebenso Berg, NZV 2010, 63 und Terbille, VersR 2005, 37; a.A. Kannowski, ZZP 2006, 63; MüKo-BGB/Oetker, § 253 BGB, Rn 60 f.
[184] Vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2004 – VI ZR 70/03, NJW 2004, 1243, 1244 m.w.N.; bestätigt durch Urt. v. 10.7.2018 – VI ZR 259/15, juris, Rn 7 = r+s 2018, 678 m. Anm. Lemcke; ihm folgend OLG Brandenburg, Urt. v. 30.8.2007 –12 U 55/07, VRR 2007, 468; KG, Urt. v. 14.9.2017 – 22 U 174/16, NJW-RR 2018, 25; vgl. auch Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeld, A. Allgemeiner Teil VI 1 c; zu Unrecht ablehnend gegenüber einem solchen "Stichtagsschmerzensgeld" hingegen Geigel/Pardey, Haftpflichtprozess, 7. Kap., Rn 33 m.w.N.; unklar Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Rn 302.
[185] So aber Kannowski, ZZP 2006, 63.
[186] OLG Saarbrücken, Urt. v. 7.6.2011 – 4 U 451/10 – 136, juris, LS 3 und Rn 35 = NJW 2011, 3169.

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