Rz. 57

Die Höhe der im Einzelfall angemessenen, "billigen Entschädigung in Geld" hat im Rechtsstreit der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen, wobei ihm ein erheblicher Ermessensspielraum zukommt.[200] Zur Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens kann freilich die Orientierung an Entscheidungen der Gerichte in vergleichbaren Fällen gehören, denn gleichartige Verletzungen sollten jedenfalls annähernd gleiche Schmerzensgelder zur Folge haben.[201] Die genannte "Orientierung" der tatrichterlichen Schmerzensgeldbemessung bedingt und rechtfertigt indessen keine Zementierung der Rechtsprechung. Selbstverständlich ist vielmehr nicht nur den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls und einer etwaigen Geldwertentwicklung gebührend Rechnung zu tragen,[202] sondern darüber hinaus auch für eine behutsame Fortentwicklung der Rechtsprechung (z.B. eine Erhöhung des allgemeinen Niveaus) Raum.[203]

 

Rz. 58

Eine sachgerechte Orientierung – auch für Geschädigte, Versicherer und Rechtsanwälte – ermöglichen schon seit Jahren verschiedene "Schmerzensgeldtabellen", in jüngerer Zeit auch in digitaler Form und online. Während dabei schriftliche Tabellen regelmäßig nur eine Recherche nach bestimmten Hauptkriterien (beispielsweise einem in erster Linie verletzten Körperteil) und einem Unterkriterium (z.B. der Höhe der zuerkannten Entschädigung) ermöglichen, bieten die entsprechenden elektronischen Datenbanken weiter gehende Recherchemöglichkeiten, insbesondere die Suche nach einer Kombination einer Vielzahl von Sachverhaltsmerkmalen. Dies hilft in praxi bei der Orientierung vor allem wegen der bei der Bemessung von Schmerzensgeldern möglichen Vielfalt an berücksichtigungsfähigen Bemessungsfaktoren.[204]

[200] BGH, Urt. v. 18.11.1969 -VI ZR 81/68, VersR 1970, 134.
[201] Vgl. BGH, Urt. v. 18.11.1969 – VI ZR 81/68, VersR 1970, 134; BGH, Urt. v. 19.12.1969 – VI ZR 111/68, VersR 1970, 281, 282; E. Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, 122 ff.; BeckOK-BGB/Spindler, § 253 BGB, Rn 26; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Kap. V., Rn 281 f.; Palandt/Grüneberg, § 253 BGB, Rn 15; zur Auseinandersetzung mit dokumentierten Entscheidungen anderer Gerichte in mehr oder weniger vergleichbaren Fällen vgl. z.B. OLG Frankfurt, Urt. v. 22.9.1993 – 9 U 75/92, DAR 1994, 21; OLG Oldenburg, Urt. v. 2.8.2006 – 5 U 16/06, NJW-RR 2007, 1468.
[202] KG, Urt. v. 15.3.2004 – 12 U 333/02, NZV 2004, 473; OLG München, Teilanerkenntnis- und Endurt. v. 24.11.2017 – 10 U 952/17, BeckRS 2017, 132413.
[203] Vgl. Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Kap. V., Rn 281 f.
[204] Vgl. auch Kürschner, PC am Arbeitsplatz des Verkehrsrichters, NZV 1990, 249 sowie die eingangs angeführten Recherche-Quellen.

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