Rz. 36

Tatbestandlich setzen § 844 Abs. 3 BGB bzw. die gleichlautend eingeführten Vorschriften des Gefährdungsrechts zunächst die "Tötung" eines (unmittelbar verletzten) Menschen voraus. Dabei kann der Tod durchaus auch Folge einer (bloßen) Verletzung sein.[147] Wie schon die systematische Auslegung – Verortung in den § 823 ff. BGB, statt etwa bei § 253 BGB – ergibt, genügt eine alleinige Vertragsverletzung – mit Ausnahme der kraft gesetzgeberischer Verweisung, wie etwa qua § 618 Abs. 3 BGB und § 62 Abs. 3 HGB, einbezogenen Fälle – nicht.[148] In zeitlicher Hinsicht ist nach Art. 229 § 42 EGBGB für ­eine Anwendung der Vorschrift alleine dann Raum, wenn die zum Tode führende Verletzung nach dem 22.7.2017 eingetreten ist.

 

Rz. 37

Schwer(st)e Körperverletzungen, etwa solche, die ein Siechtum des unmittelbar Verletzten nach sich ziehen, hat der Gesetzgeber ausdrücklich nicht einbezogen, können einer Tötung mithin de lege lata auch nicht durch analoge Anwendung der Norm gleichgestellt werden. Auch wenn – so die ausdrückliche Gesetzesbegründung – die seelischen Belastungen von Menschen, die einem schwer Verletzten besonders nahestehen, oftmals nicht geringer als jene, die die Hinterbliebene eines Getöteten erlitten, sei die Situation nicht vergleichbar; schließlich stünden Überlebenden, das heißt "nur" verletzten, unmittelbar Geschädigten eigene (und vererbliche) Schmerzensgeldansprüche nach § 253 Abs. 2 BGB zu, sodass schon jetzt Ansprüche wegen der Beeinträchtigung immaterieller Interessen bestünden; außerdem vermeide die Beschränkung auf Todesfälle andernfalls drohende Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen anspruchsauslösenden schweren Verletzungen und (entschädigungslos bleibenden) weniger schweren Verletzungen.[149]

 

Rz. 38

Jedenfalls letzteres Praktikabilitätsargument erscheint nachvollziehbar. Ersterer Verweis auf das dem überlebenden, unmittelbar Geschädigten selbst zustehende Schmerzensgeld überzeugt hingegen weniger, denn dieses begründet und bemisst sich ausschließlich aus dessen eigenen immateriellen Beeinträchtigungen; nimmt das von § 844 Abs. 3 BGB geregelte "seelische Leid" nahestehender Personen demgegenüber überhaupt nicht in den Blick. Zu Recht sollte daher die Norm – jedenfalls de lege ferenda – auch eine Entschädigung bei schwer(st)en Verletzungen ermöglichen.[150]

[147] Vgl. BGH, Urt. v. 13.2.1996 – VI ZR 318/94, juris, NJW 1996, 1674 zu § 844 Abs. 2 BGB; Jauernig/Teichmann, BGB, § 844, Rn 9.
[148] Vgl. BT-Drucks 18/11397, S. 13; Katzenmeier, JZ 2017, 869, 873 f.; BeckOK BGB/Spindler, § 844, Rn 43.; BeckOK/Eichelberger, BGB § 844 Rn 200 m.w.N.; Huber, JuS 2018, 744, 745 f.; Jauernig/Teichmann, BGB, § 844, Rn 9.
[149] Vgl. BT-Drucks 18/11397, S. 9; zustimmend G. Müller, VersR 2017, 323.
[150] So zutreffend BeckOK/Eichelberger, BGB § 844, Rn 204 m.w.N.

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