aa) Ordentliche Kündigung

 

Rz. 384

In einer der Erfüllung der Pflicht zur Versicherung dienenden Krankheitskostenversicherung i.S.v. § 193 Abs. 3 VVG sowie in der substitutiven Krankheitskostenversicherung gem. § 195 Abs. 1 VVG ist gem. § 14 Abs. 1 MB/KK das ordentliche Kündigungsrecht ausgeschlossen. Dies gilt auch für eine Krankenhaustagegeldversicherung, die neben einer Krankheitskosten­vollversicherung besteht.

Bei anderen Krankheitskostenteilversicherungen und Krankenhaustagegeldversicherungen besteht ein Kündigungsrecht des Versicherers gem. § 14 Abs. 2 MB/KK nur innerhalb der ersten drei Versicherungsjahre mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Versicherungsjahres.

 

Rz. 385

Substitutiv ist eine private Krankenversicherung, die Schutz gegen die gleichen Risiken wie die gesetzliche Krankenversicherung bietet und nicht nur dem Ausgleich von Leistungsbegrenzungen in der gesetzlichen Krankenversicherung dient. Abweichend von anderen Sparten ist im Krankenversicherungsrecht der Schadenseintritt kein Grund zur Kündigung des Versicherungsvertrages durch die Parteien. Dies liegt am Wesen der Krankenversicherung sowie daran, dass der Neuabschluss eines Krankenversicherungsvertrages bei einem anderen Versicherer grundsätzlich mit erheblichen Nachteilen für den Versicherungsnehmer verbunden ist, so dass dies unzumutbar erscheint.

bb) Außerordentliche Kündigung

 

Rz. 386

Hinsichtlich des außerordentlichen Kündigungsrechtes bestimmt § 14 Abs. 3 MB/KK, dass die gesetzlichen Bestimmungen über das außerordentliche Kündigungsrecht unberührt bleiben. Demgegenüber ist gemäß § 206 Abs. 1 VVG mit Wirkung zum 1.1.2009 "jede" Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, die zur Erfüllung der Versicherungspflicht im Sinne von § 193 Abs. 3 VVG dient, durch den Versicherer ausgeschlossen worden.

 

Rz. 387

Streitig war in der Folge, was mit der Formulierung "jede Kündigung" gemeint ist und ob tatsächlich auch die außerordentliche Kündigung nach § 314 BGB für den Versicherer durch § 206 Abs. 1 S. 1 VVG ab 1.1.2009 ausgeschlossen sein sollte. Der Wortlaut ließ eine andere Auslegung nicht zu. Hinzu kommt, dass von § 206 VVG gem. § 208 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden durfte. Das BVerfG[224] hatte auch diese Regelung trotz erhobener Bedenken für verfassungskonform gehalten.

 

Rz. 388

Vor der VVG-Reform wurde dem Versicherer ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 314 BGB unter engen Voraussetzungen zugebilligt.

Inzwischen hat der BGH[225] bestätigt, dass § 206 Abs. 1 S. 1 VVG dahingehend teleologisch zu reduzieren ist, dass er ausnahmslos nur die außerordentliche Kündigung wegen Prämienverzuges verbietet, während eine Kündigung wegen sonstiger schwerer Vertragsverletzungen unter den Voraussetzungen des § 314 BGB möglich ist.

Danach ist eine außerordentliche Kündigung des Versicherers wegen schwerer Vertragsverletzung im Einzelfall gem. § 314 Abs. 1 BGB weiterhin möglich. Infolge der zu § 206 Abs. 1 VVG vorgenommenen teleologischen Reduktion bestehen keine Bedenken mehr gegen die Wirksamkeit von § 14 Abs. 3 MB/KK, der schon zuvor den Eindruck erweckte, als sei eine Kündigung gem. § 314 BGB zulässig. Mithin kann die frühere Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung nach wie vor herangezogen werden.

Möglich bleibt die Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 314 BGB nach wie vor also bei Vorliegen besonders schwerwiegender Umstände des Einzelfalles, wenn etwa der Versicherungsnehmer sich Leistungen erschleicht oder zu erschleichen versucht oder es zu Tätlichkeiten des Versicherungsnehmers gegenüber Mitarbeitern des Versicherers kommt, wobei aber die Umstände des Einzelfalles genau zu hinterfragen sind.

Insbesondere verweist § 314 Abs. 2 S. 2 BGB auf eine analoge Anwendung des § 323 Abs. 2 BGB, so dass bei Vorliegen besonderer Umstände, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen, eine Fristsetzung/Abmahnung entbehrlich sein kann.

 

Rz. 389

Der BGH (a.a.O.) hat die Entscheidung des OLG Brandenburg[226] und des OLG Oldenburg[227] und des OLG Celle[228] ausdrücklich bestätigt. Den Entscheidungen des BGH lagen Sachverhalte zugrunde, bei denen es zuvor zu tätlichen Angriffen gegen Mitarbeiter bzw. zu betrügerischen Abrechnungen gekommen war. Eine Abmahnung wurde nicht für erforderlich gehalten.

 

Rz. 390

In der weiteren Entscheidung stellt der BGH[229] klar, dass bei Kündigungen nach § 314 BGB eine Fortsetzung des Vertrages im Basistarif nicht erfolgt und auch dem Versicherungsnehmer insoweit kein Anspruch auf Abschluss eines derartigen Vertrages bei demselben Versicherer zusteht. Nur im Bereich der Pflegepflichtversicherung ist gem. § 110 Abs. 4 SGB XI jede außerordentliche Kündigung durch den Versicherer ausgeschlossen.

 

Rz. 391

Das OLG Koblenz[230] hat eine fristlose Kündigung wegen Erschleichens von Leistungen bestätigt und das Erfordernis einer vorherigen Abmahnung in diesem Fall ausdrücklich verneint. Der Senat sah es als erwiesen an, dass der Versicherungsnehmer einen fingierten Rechnungsbeleg über...

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