Rz. 211

Der erste allgemeine Hinweis auf das Versicherungsprodukt Krankheitskostenversicherung ist in § 192 Abs. 1 VVG und in § 1 Abs. 1 MB/KK enthalten, in denen klargestellt wird, dass der Versicherer im vertraglich vereinbarten Umfang für Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit, Unfallfolgen und für sonst vereinbarte Leistungen haftet. Die Versicherung soll somit den konkreten Bedarf decken; gemäß § 200 VVG gilt ein Bereicherungsverbot.

 

Rz. 212

Da durch die Forderung des behandelnden Arztes oder des Krankenhauses der Versicherungsnehmer sich Aufwendungen gegenüber sieht und dadurch im Vermögen des Versicherungsnehmers ein Passivum entsteht – gegen das er sich durch den Versicherungsvertrag schützen will –, wird die Krankheitskostenversicherung als Passiven-Versicherung bezeichnet.[114]

 

Rz. 213

Die Krankheitskostenversicherung geht davon aus, dass der Versicherer nur zum Ersatz der­jenigen Aufwendungen verpflichtet ist, die auf einem wirksamen und fälligen Vergütungsanspruch des behandelnden Arztes beruhen.[115] Unter Umständen können jedoch unterschiedliche Ansprüche im Verhältnis Arzt zum Patienten einerseits und Patient = Versicherungsnehmer zum Versicherer andererseits geltend gemacht werden. Setzt jedoch grundsätzlich der vertragliche Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer einen wirksamen und fälligen Anspruch des Behandlers gegen seinen Patienten, also den Versicherungsnehmer, voraus, so ist diese Voraussetzung grundsätzlich zusätzlich zu prüfen. Dies gilt umso mehr, als zunehmend auch im Rahmen von Rechtsstreiten im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer die Wirksamkeit und Fälligkeit der ärztlichen Vergütung als Voraussetzung für einen Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer auf dem Prüfstand stehen.

 

Rz. 214

Da der Versicherer nur zum Ersatz derjenigen Aufwendungen des Versicherungsnehmers verpflichtet ist, die auf einem wirksamen und fälligen Vergütungsanspruch des behandelnden Arztes beruhen, braucht der Versicherer Aufwendungen für ärztliche Leistungen nicht zu erstatten, soweit der Arzt diese nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bzw. der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ)[116] oder einer sonstigen Vergütungsverordnung nicht verlangen kann. Aus der Rechtsnatur der Krankheitskostenversicherung als Passiven-Versicherung ergibt sich, dass der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer nur zum Ersatz derjenigen Aufwendungen verpflichtet ist, die diesem in Bezug auf das versicherte Risiko zur Erfüllung von Verpflichtungen aus berechtigten Ansprüchen Dritter erwachsen sind. Dies entspricht der ganz herrschenden Rechtsprechung.

Ist im Tarif eine Beschränkung auf Leistungen nach der GOÄ vereinbart, sind zusätzliche Kosten, die der Arzt nicht nach GOÄ berechnen kann, von der Erstattungspflicht des Krankenversicherers ausgeschlossen.[117]

 

Rz. 215

Soweit das LG Tübingen[118] den Grundsatz der Begrenzung der Erstattungsfähigkeit auf rechtlich begründete Aufwendungen auch auf den Fall unverjährter Vergütungsforderungen anwendet und dies u.a. auch damit begründet, dass die Erhebung der Verjährungseinrede aus der Schadenminderungspflicht folge, kann dem nicht zugestimmt werden. Allerdings kann es treuwidrig sein, wenn der Versicherungsnehmer gegen ihn nicht mehr weiter verfolgte Vergütungsforderungen von Behandlern erst zu einem Zeitpunkt geltend macht, in dem diese tatsächlich verjährt sind und gegen die ihm der Verjährungseinwand zusteht.

[114] Vgl. hierzu im Einzelnen Bach/Moser/Kalis, § 1 MB/KK Rn 17.
[115] Vgl. Bach/Moser/Kalis, § 1 MB/KK Rn 17; BGH v. 14.1.1998 – IV ZR 61/97, VersR 1998, 350 = NJW 1998, 1790.
[116] GOÄ bzw. GOZ sind unter www.pkv.de unter der Service/Rechtsquellen/Gesetze und Verordnungen abrufbar.
[118] LG Tübingen v. 5.8.2016, r+s 2017, 27.

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