Rz. 972

Der Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Vergütung entsteht im Zeitpunkt der Überzahlung und wird sogleich fällig, § 271 Abs. 1 BGB. Auf die Kenntnisse des Arbeitgebers von seinem Rückzahlungsanspruch kommt es regelmäßig nicht an (BAG v. 1.6.1995, AP Nr. 16 zu § 812 BGB; BAG v. 16.11.1989, AP Nr. 8 zu § 29 BAT; BAG v. 14.9.1994, AP Nr. 127 zu § 4 TVG – Ausschlussfristen). Der Entstehungszeitpunkt und der Fälligkeitszeitpunkt des Rückzahlungsanspruches können auseinanderfallen. Dies ist dann anzunehmen, wenn es dem Gläubiger des Rückzahlungsanspruches praktisch unmöglich ist, den Anspruch mit seinem Entstehen geltend zu machen. Das ist anzunehmen, wenn die rechtsbegründeten Tatsachen in der Sphäre des Schuldners liegen und der Gläubiger es nicht durch schuldhaftes Zögern versäumt hat, sich Kenntnis von den Voraussetzungen zu verschaffen, die er für die Geltendmachung benötigt (BAG v. 19.2.2004, AP Nr. 3 zu § 70 BAT-O). Konnte z.B. der Arbeitgeber die Überzahlung nicht erkennen, etwa weil der Arbeitnehmer für die Berechnung maßgebliche Mitteilungen treuewidrig unterlassen hatte, kann die durch Ausschlussfristen bestimmte Fälligkeit des Rückzahlungsanspruches ausnahmsweise später eintreten. Der Arbeitgeber kann in diesem Fall den Fristablauf mit dem Einwand und zulässiger Rechtsausübung gem. § 242 BGB begegnen (BAG v. 14.9.1994, AP Nr. 127 zu § 4 TVG – Ausschlussfristen; BAG v. 19.3.1986, AP Nr. 67 zu § 1 Lohnfortzahlungsgesetz). Sollte der Arbeitgeber auf andere Weise von der Überzahlung Kenntnis erhalten, ist der Einwand des Rechtsmissbrauches nicht mehr gegeben (BAG v. 10.3.2005 – 6 AZR 217/04, NZA 2005, 812). Ein treuewidriges Verhalten, das die Anwendbarkeit einer tariflichen Ausschlussfrist ausschließt, wäre für den Arbeitnehmer dann anzunehmen, wenn er erkennt, dass seinem Arbeitgeber bei der Überweisung der Vergütung ein Irrtum unterlaufen ist, der zu einer erheblichen Überzahlung geführt hat und er die Überzahlung dennoch nicht anzeigt (Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 362). Andererseits ist zu betonen, dass es eine allgemeine Verpflichtung des Arbeitnehmers, die durch den Arbeitgeber erstellte Vergütungsabrechnung zu überprüfen, im Arbeitsrecht nicht gibt (Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, Rn 362). Erhält der Arbeitnehmer eine ungewöhnlich hohe Zahlung und unterlässt er die Mitteilung an den Arbeitgeber hierüber, ist von einem pflichtwidrigen Unterlassen des Arbeitnehmers, dass die Anwendbarkeit der Ausschlussfrist ausschließt, auszugehen (BAG v. 1.6.1995, AP Nr. 16 zu § 812 BGB; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn 529).

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