Rz. 1106

Die §§ 69a ff. UrhG sehen Sonderregeln für den Urheberschutz von Computerprogrammen vor. Diese Vorschriften wurden zunächst in Umsetzung der EG-Richtlinie v. 14.5.1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen durch das 2. Gesetz zur Änderung des UrhG v. 9.6.1993 (BGBl I 1993, 910) neu geregelt. Am 4.6.2021 wurden sie mit dem Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts erneut geändert (BGBl I 2021, 1204).

 

Rz. 1107

Für Computerprogramme die im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses geschaffen wurden, enthält § 69b UrhG eine ggü. § 43 UrhG spezialgesetzliche Regelung. Inhaltlich bestehen zwischen beiden Regelungen teilweise Unterschiede, insb. was die Zuordnung zum Arbeitgeber und den Umfang des Nutzungsrechtes betrifft. Im Zweifel ist § 69b UrhG richtlinienkonform auszulegen. § 69b UrhG findet gem. § 137d Abs. 1 UrhG auch Anwendung auf Computerprogramme, die vor dem 24.6.1993 geschaffen worden sind. Keine Anwendung findet § 69b UrhG auf Werke, die aufgrund eines Werkvertrags geschaffen wurden.

 

Rz. 1108

§ 69b UrhG besagt, dass im Fall der Schaffung eines Computerprogramms von einem Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach den Anweisungen seines Arbeitgebers (vgl. hierzu Rdn 1048 ff.), dieser ausschließlich zur Ausübung aller vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprogramm berechtigt ist, sofern die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung nichts anderes bestimmt haben.

 

Rz. 1109

Ein wesentlicher Unterschied ggü. § 43 UrhG liegt darin, dass § 69b UrhG ausdrücklich eine ausschließliche Zuweisung aller vermögensrechtlichen Befugnisse zum Arbeitgeber vorsieht. Nach der Rspr. des BGH handelt es sich hierbei um eine ausschließliche gesetzliche Lizenz (BGH v. 23.10.2001 – X ZR 72/98).

 

Rz. 1110

Der Arbeitgeber hat kraft Gesetzes alle vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprogramm. Hiervon umfasst ist das unbeschränkte inhaltliche, räumliche und zeitliche Nutzungsrecht (Büscher/Dittmer/Schiwy, UrhG, § 69b Rn 6). Dieses sehr umfangreiche Nutzungsrecht umfasst auch unbekannte Nutzungsarten (Wandtke/Bullinger/Grützmacher, UrhG, § 69b Rn 19).

 

Rz. 1111

Ob durch § 69b UrhG die in § 31 Abs. 5 UrhG niedergelegte Zweckübertragungstheorie modifiziert bzw. ganz verdrängt wird, ist streitig. Da § 69b UrhG eine umfassende Rechtseinräumung vorsieht, ist mit der herrschenden Meinung für eine Anwendung wohl kein Raum (Wandtke/Bullinger/Grützmacher, UrhG, § 69b Rn 19; Büscher/Dittmer/Schiwy, UrhG, § 69b Rn 1; Dreier/Schulze, UrhG, § 69b Rn 9).

 

Rz. 1112

Weitere Folge des ausschließlichen Nutzungsrechtes ist, dass es dem Arbeitgeber freisteht, seine Nutzungsrechte ohne Zustimmung des Arbeitnehmerurhebers auf Dritte zu übertragen. Die §§ 34, 35 UrhG finden insoweit wohl keine Anwendung (Wandtke/Bullinger/Grützmacher, UrhG, § 69b, Rn 18; Dreier/Schulze, UrhG, § 69b Rn 9; Büscher/Dittmer/Schiwy, UrhG, § 69b Rn 6; vgl. aber BGH v. 3.3.2005 – I ZR 111/02; LG Mannheim v. 22.12.2009 – 2 O 37/09). Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 69b UrhG, da der Arbeitgeber gerade bei großen Computerprogrammen von einer unüberschaubaren Anzahl von Urhebern die Zustimmung einholen müsste (Büscher/Dittmer/Schiwy, UrhG, § 69b Rn 6). Auf der anderen Seite ist der Arbeitnehmer nicht zur Eigennutzung oder der Überlassung an Dritte berechtigt (Dreier/Schulze, UrhG, § 69b Rn 2).

 

Rz. 1113

Mit Wirkung seit dem 7.6.2021 sieht § 69a Abs. 5 UrhG vor, dass die §§ 3232g UrhG auf Computerprogramme keine Anwendung finden. Damit sind für Arbeitnehmer, die Computerprogramme erstellen, insbesondere die Ansprüche auf angemessene Vergütung, weitere Beteiligung des Urhebers und der Anspruch auf Auskunft und Rechenschaft ausgeschlossen. Dies gilt aber nicht für Verträge und Sachverhalte vor dem 7.6.2021, da gem. § 137d Abs. 3 UrhG der neue § 69a Abs. 5 UrhG auf Altfälle keine Anwendung findet.

 

Rz. 1114

Für Altfälle vor dem 7.6.2021 ist im Anwendungsbereich des § 69b UrhG a.F. umstritten, ob der Arbeitnehmer bei arbeitsvertraglich geschuldeten Werken ("Pflichtwerke") auf Grundlage des § 32 UrhG einen über den Arbeitslohn hinausgehenden Vergütungsanspruch hat (abl. BGH v. 23.10.2001 – X ZR 72/98; zust. Schwab, AuR 1993, 130; Wandtke/Haupt, Die Rechte der Urheber und ausübenden Künstler im Arbeits- und Dienstverhältnis, Rn 305; Schricker/Loewenheim/Spindler, UrhG, § 69b Rn 18). Gegen eine Anwendung von § 32 UrhG auf Computerprogramme sprechen jedoch die systematische Stellung des § 69b UrhG und der Sinn und Zweck der §§ 69a-69g UrhG a.F. (vgl. hierzu Fromm/Nordemann/Czychowski, UrhG, § 69b Rn 22–27). Nach der Rspr. ergibt sich ein Vergütungsanspruch jedenfalls nicht aus den Vorschriften des ArbnErfG (BGH, 23.10.2001 – X ZR 72/98). Den Parteien steht es aber frei Sondervergütungsansprüche zu vereinbaren.

 

Rz. 1115

Für Altfälle vor dem 7.6.2021 war im Bereich von Computerprogrammen eine Anwendung des Bestsellerparagraf des § 32a UrhG hingegen möglich. Stand der Arbeitslohn in auffälligem Missv...

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