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In der Praxis sind steuerrechtliche Erwägungen von großer Bedeutung. Zwar wird mit gutem Grund davor gewarnt, Steuertarife zur ausschließlichen Grundlage einer Rechtsformwahl zu machen.[13] Gleichwohl stellt sich die Frage der steuerlichen Optimierung in allen Unternehmen. Daher muss der anwaltliche Berater – ggf. in Zusammenwirken mit dem steuerlichen Berater – im Einzelfall prüfen, ob die gesellschafts- und haftungsrechtlichen Vorteile der GmbH potentielle Steuernachteile aufwiegen und welche maßgeschneiderten Zwischenformen zu erwägen sind.[14] Das Hauptaugenmerk liegt dabei oft auf der Gründungsphase. Aber auch in der Folgezeit ist die gewählte Rechtsform auf ihre Kongruenz mit den wirtschaftlichen, rechtlichen, sozialen und/oder persönlichen Verhältnissen zu überprüfen und auf diese abzustimmen. Die juristischen Möglichkeiten hierzu bietet das Umwandlungsrecht.[15] Dabei ist die GmbH keinesfalls mehr die steuerrechtliche Mausefalle von einst, bei der es kein "Raus aus der GmbH" ohne Aufdeckung und Versteuerung stiller Reserven gab.

Grund hierfür sind zwei Steuerrechtsreformen. Die Reform des Umwandlungssteuerrechts von 1995 eröffnete umfassende Möglichkeiten, Umwandlungen – insb. auch von Kapital- in bzw. auf Personengesellschaften – erfolgsneutral vorzunehmen.[16] Das SEStEG europäisierte 2006 den Anwendungsbereich des – zuvor nahezu ausnahmslos inländische Umwandlungsvorgänge erfassenden – UmwStG.[17] Zudem wurden der Verlustvortragsübergang bei Umwandlungen von Kapital- auf Kapitalgesellschaften gestrichen, die Übernahmegewinnbesteuerung geändert und die Sperrfristkonzeption bei Einbringungen neu gefasst.[18]

Wesentliche Neuregelungen[19] brachte die Unternehmensteuerreform 2008. Sie führte ab 2008 zu einer beachtlichen Tarifabsenkung der Körperschaftsteuer und erheblichen Änderungen bei der Gewerbesteuer, wie dem Wegfall ihrer Abzugsfähigkeit als Betriebsausgabe und der Absenkung der Gewerbesteuer-Messzahl von 5 % auf 3,5 %. Für Personenunternehmen wurde eine Thesaurierungsbegünstigung eingeführt.[20] Die auf eine einheitliche Unternehmensteuer und eine rechtsformneutrale Besteuerung gerichteten Reformvorschläge aus Politik und Wissenschaft blieben im Gesetzgebungsverfahren aber unbeachtet.[21] Im Zentrum der Änderungen für Kapitalgesellschaften stand die Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 % auf 15 %. Unterstellt man einen Gewerbesteuerhebesatz von 400 % und berücksichtigt man die Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer, fiel die Gesamtsteuerbelastung (Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbesteuer) von Gewinnen einer Kapitalgesellschaft von zuvor 38,65 % auf 29,83 %, also um etwa ein Viertel. Damit bewegen sich Kapitalgesellschaften von der Belastungswirkung im europäischen Mittelfeld.[22]

Auf Gesellschafterebene beendete die Unternehmensteuerreform 2008 das bisher zuvor Halbeinkünfteverfahren für natürliche Personen, die ihre Anteile im Privatvermögen halten, im Zuge der Einführung einer allgemeinen schedulierenden Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge. Für Gesellschafter, die ihre Anteile im Betriebsvermögen halten, wurde das Halbeinkünfteverfahren zu einem Teileinkünfteverfahren weiterentwickelt, wobei der steuerpflichtige Teil einer Gewinnausschüttung und der Veräußerungsgewinnbesteuerung von 50 % auf 60 % moderat angehoben wurde. Die Besteuerung von Körperschaften als Gesellschafter von Kapitalgesellschaften blieb unverändert (§ 8b KStG). Mit Gesetz vom 21.3.2013 hat der Gesetzgeber Streubesitzdividenden bei Beteiligungen von weniger als 10 % von der Anwendung des § 8b KStG – und damit der 95 %igen Steuerfreiheit – ausgenommen.[23] Der immer wieder diskutierte Ausschluss des § 8b KStG auf Gewinne aus der Veräußerung von Streubesitzanteilen (Beteiligung unter 10 %) ist (bislang) nicht Gesetz geworden.[24]

[13] Vgl. Münchener Handbuch-Grziwotz, § 2 Rn 2; Herzig/Kessler, GmbHR 1992, 232; Flick, DB 1994, 64 ff.; vgl. Oetker in: Handelsgesetzbuch, 6. Aufl. 2019, § 161 Rn 70; Berberich/Haaf in: Beck‘sches Handbuch der GmbH, 5. Aufl. 2014, § 1 Rn 6; Heidel, in: Heidel/Pauly, Steuerrecht, 3. Aufl. 2002, 1. Kapitel, Rn 1; § 2 Rn 1 ff.
[14] Tillmann/Winter, Rn 12 ff.; Binz, Die GmbH & Co., § 24 Rn 35 ff; vgl. auch Münchener Handbuch--Busch, § 3; Flick, DB 1994, 64 ff.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993, S. 1027 ff.; zum Belastungsvergleich zur Personengesellschaft vgl. Mindermann/Lukas, NWB 2011, 3847; Schäffler, DStR 2010, 636.
[15] Ausführlich zu den Umwandlungsmöglichkeiten der GmbH: Otto/Scholz in: Beck`sches Handbuch der GmbH, 5. Aufl. 2014, § 14.
[16] Vgl. Herzig/Förster, DB 1995, 256.
[17] Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften, BGBl 2006 I, 2782 (ber. BGBl 2007 I, 68).
[18] Vgl. Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765 und IStR 2007, 22; Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 und 2763; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 und DStR 2007, 369; Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Li...

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