aa) Allgemeines

 

Rz. 43

Im Unterschied zur Ausschlagung wegen unzureichender Zuwendung kommt es bei der "taktischen" Ausschlagungsmöglichkeit des Ehegatten nach § 1371 Abs. 3 BGB zum einen nicht auf die Höhe des erlangten Erbteils an, und zum anderen greift die Ausschlagungsmöglichkeit nicht nur bei einer Erbeinsetzung durch Verfügung von Todes wegen, sondern auch dann, wenn es bei der gesetzlichen Erbfolge verbleibt. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu den vorgenannten Ausschlagungsmöglichkeiten. Hat der Ehegatte sowohl ein Vermächtnis als auch einen Erbteil erhalten, so muss er allerdings beides ausschlagen.[38] Die "taktische Ausschlagung" steht dem Ehegatten somit unabhängig von der Höhe und der Art des erlangten Erbteils zu. Er hat, wenn er im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hat, in Bezug auf sein Pflichtteilsrecht nachfolgende Wahlmöglichkeiten.

[38] Grüneberg/Siede, § 1371 BGB Rn 18.

bb) Wahlmöglichkeiten des überlebenden Ehegatten

 

Rz. 44

Wird der überlebende Ehegatte gesetzlicher Miterbe, dann kann er es hierbei belassen und eine konkrete Geltendmachung des ehegüterrechtlichen Zugewinnausgleichs scheidet aus (§ 1371 Abs. 1 BGB). Er hat aber auch die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen und den Pflichtteil nach §§ 1931, 2303 Abs. 2 BGB sowie den konkreten Zugewinnausgleich zu verlangen (§ 1371 Abs. 3 BGB = sog. kleiner Pflichtteil). Der Pflichtteil des Ehegatten berechnet sich in diesem Fall nach dem nicht erhöhten Erbteil des Ehegatten gem. § 1371 Abs. 2 Hs. 2 BGB. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Zugewinnausgleich eine Nachlassverbindlichkeit darstellt und sich die Pflichtteile nur vom Restwert des Nachlasses errechnen.[39]

 

Rz. 45

Wird der überlebende Ehegatte aufgrund Verfügung von Todes wegen Erbe oder Vermächtnisnehmer, so ergeben sich folgende Möglichkeiten:

Hat der überlebende Ehegatte durch Testament einen Erbteil oder ein Vermächtnis erhalten, welches kleiner ist als die Hälfte seines nach § 1371 Abs. 1 BGB erhöhten gesetzlichen Erbteils, dann kann er gem. §§ 2305 Abs. 1, 2307 Abs. 1 BGB einen Zusatzpflichtteil auf die Hälfte des erhöhten gesetzlichen Erbteils verlangen(großer Pflichtteil). Er kann aber auch, wie bereits erwähnt, die Erbschaft ausschlagen und den konkreten Zugewinn in Verbindung mit dem kleinen Pflichtteil geltend machen.
Ist der überlebende Ehegatte hingegen enterbt worden, so bleibt ihm nur die Möglichkeit, den konkreten Zugewinnausgleich und den kleinen Pflichtteil geltend zu machen. Er kann nicht den großen Pflichtteil verlangen,[40] indem er den Pflichtteil aus dem nach §§ 1931, 1371 BGB erhöhten Erbteil berechnet.
[39] BGH NJW 1962, 1719.
[40] BGH NJW 1964, 2404; BGH NJW 1982, 2497.

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