Rz. 36

Ist eine Inanspruchnahme der erbschaftsteuerrechtlichen Begünstigungen nach §§ 13a ff. ErbStG beabsichtigt, setzt dies bei Personengesellschaften voraus, dass sowohl Schenker als auch Beschenkter als Mitunternehmer des Betriebes anzusehen sind.[54] Dies gilt auch, wenn der Beschenkte im Rahmen der Gründung der Gesellschaft an ihr unentgeltlich beteiligt wird.

 

Rz. 37

Der Begriff der Mitunternehmerschaft ist ein sogenannter offener Typusbegriff, der durch eine größere und unbestimmte Anzahl von Merkmalen gekennzeichnet sein kann.[55] Voraussetzungen für das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft sind, dass mehrere Personen gemeinschaftlich eine gewerbliche oder gewerblich geprägte (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) Tätigkeit ausüben und dabei sowohl Mitunternehmerrisiko tragen als Mitunternehmerinitiative entfalten können. Diese Kriterien gelten auch für Familiengesellschaften.

 

Rz. 38

Besonderes Augenmerk ist auf die Kriterien Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative zu legen. Allerdings müssen nicht beide Merkmale in gleicher Weise ausgeprägt sein.[56] Ein höheres Mitunternehmerrisiko kann eine nur in geringerem Umfang vorhandene Mitunternehmerinitiative ggf. ausgleichen und umgekehrt.[57] Ein vollständiges Fehlen eines der beiden Merkmale ist aber grundsätzlich schädlich. Ob und inwieweit die einzelnen Mitunternehmer unbeschränkt oder beschränkt einkommenssteuerpflichtig sind, spielt keine Rolle.[58]

 

Rz. 39

Mitunternehmerrisiko beschreibt die Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg bzw. Misserfolg des Betriebes.[59] Sie manifestiert sich in der Beteiligung an Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven einschließlich eines etwaigen Geschäfts- bzw. Firmenwerts.[60] Die Gewinnbeteiligung ist als kennzeichnendes Merkmal des Mitunternehmerrisikos für die Mitunternehmerstellung unabdingbar.[61] Dabei meint Gewinnbeteiligung eine Teilhabe am Totalgewinn des Unternehmens, also inklusive der im Laufe der Zeit im Betrieb gebildeten stillen Reserven.[62] Demzufolge spricht ein vollständiger Ausschluss der Beteiligung an den stillen Reserven grundsätzlich gegen das Bestehen einer Mitunternehmerstellung.[63] Allerdings sind Abfindungsbeschränkungen in Gesellschaftsverträgen unschädlich, soweit sie lediglich auf solche Fälle gerichtet sind, in denen der Gesellschafter (freiwillig oder unfreiwillig) aus der Gesellschaft ausscheidet,[64] nicht aber gleichzeitig seine Beteiligung am Liquidationserlös beschränken.

 

Rz. 40

Im Hinblick darauf, dass die Merkmale Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative verschieden stark ausgeprägt sein können,[65] genügt in vielen Fällen auch eine Beteiligung am laufenden Gewinn zur Annahme einer Mitunternehmerstellung, wenn die Mitunternehmerinitiative entsprechend stark entwickelt ist. Eine Verlustbeteiligung ist jedenfalls keine unabdingbare Voraussetzung der Mitunternehmerstellung.[66] Die persönliche Haftung für Schulden der Gesellschaft ist ebenfalls nicht erforderlich.[67] Allerdings führt eine im Außenverhältnis unbeschränkte Haftung stets zum Vorliegen eines Mitunternehmerrisikos, das gilt selbst dann, wenn im Innenverhältnis ein Ausgleichs- oder Freistellungsanspruch vereinbart ist.[68]

 

Rz. 41

Mitunternehmerinitiative bedeutet demgegenüber Teilhabe an den unternehmerischen Entscheidungen und die Möglichkeit, auf die Geschicke der Gesellschaft Einfluss zu nehmen.[69] Die Einflussnahmemöglichkeit muss wenigstens der Rechtsstellung eines Kommanditisten annähernd vergleichbar sein (Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte entsprechend den Vorschriften des HGB).[70] Mitunternehmerinitiative liegt somit auf jeden Fall vor, wenn der Gesellschafter in gleicher Weise wie ein Geschäftsführer oder leitender Angestellter auf die unternehmerischen Entscheidungen Einfluss nehmen kann.[71]

 

Rz. 42

Im Regelfall sind jedoch die Einflussnahmemöglichkeiten der Gesellschafter weniger stark ausgeprägt. Bei Familiengesellschaften sehen die Gesellschaftsverträge regelmäßig vor, dass das Gros der Gesellschafter von der laufenden Geschäftsführung ausgeschlossen ist und sich die Einflussnahmemöglichkeiten auf die Ausübung des Stimmrechts bzw. der gesetzlich vorgesehenen Kontrollrechte beschränken. Derartige Regelungen sind auch in Gesellschaften, deren Gesellschafterkreis sich aus nicht miteinander verwandten Personen zusammensetzt, üblich. Vor diesem Hintergrund genügt es auch für das Vorliegen einer hinlänglichen Mitunternehmerinitiative, wenn der Gesellschafter mit Hilfe seines Stimmrechts zwar nicht die Geschäftsführungsentscheidungen, aber den eigentlichen Gesellschaftsbereich (Bestand der Gesellschaft, Inhalt des Gesellschaftsvertrages etc.) mit beeinflussen kann.[72] Da die Rechte des Gesellschafters denen eines Kommanditisten nicht vollständig entsprechen, sondern ihnen nur angenähert sein müssen,[73] kann das Vorliegen der Mitunternehmerinitiative nur in Fällen verneint werden, in denen die Rechtsstellung gegenüber dem gesetzlichen Leitbild des Kommanditisten stark eingeschränkt ist, beispielsw...

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