I. Rechtslage

 

Rz. 71

Nachdem ein Modellversuch in Niedersachsen mit dem "begleiteten Fahren ab 17" erfolgreich verlaufen ist,[30] wurde mit Änderungsgesetz v. 14.8.2005[31] die Möglichkeit des "begleiteten Fahrens mit 17" im ganzen Bundesgebiet eingeführt.[32] Ziel der Maßnahme ist, dass die unverhältnismäßig hohe Unfallrate insbesondere der 18- bis 20-jährigen Fahranfängerinnen und Fahranfänger nach dem Erwerb der FE gesenkt wird. Durch die Anwesenheit einer verkehrserfahrenen Begleitperson in der besonders riskanten ersten Phase der Fahrpraxis soll dem jungen Fahrer eine erweiterte fahrpraktische Kompetenzgrundlage zur Verfügung gestellt werden. Normativ verankert ist die Regelung in § 6e StVG – darin ist den Ländern die Möglichkeit für die Einführung des "begleiteten Fahrens mit 17" eingeräumt – und § 48a FeV – dort sind die Voraussetzungen im Einzelnen genannt.

Die bis zum 31.12.2010 befristete Regelung (§ 65 Abs. 12 StVG) ist durch die Fünfte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften v. 17.12.2010[33] in Dauerrecht übernommen worden. Das "begleitete Fahren mit 17" ist in § 48a FeV nunmehr ausdrücklich bundeseinheitlich geregelt.

[30] Nach der Pressemitteilung Nr. 091 v. 12.7.2007. des niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, haben die Teilnehmer am niedersächsischen Modellversuch nach der Begleitphase 28,5 % weniger Unfälle verursacht und 22,7 % weniger Verkehrsverstöße begangen als Fahranfänger einer Kontrollgruppe, die den Führerschein regulär mit 18 Jahren gemacht hatten; vgl. dazu auch Fischinger/Seibl, NJW 2005, 2886.
[31] BGBl I S. 2412.
[32] Niedersachsen hatte die bundeseinheitliche Regelung zum 1.3. 2006 übernommen und seine bisherige eigene Regelung abgeschafft. Nach und nach haben alle Bundesländer die bundeseinheitliche Regelung des begleiteten Fahrens übernommen. Als letztes der 16 Bundesländer hatte Baden-Württemberg das begleitete Fahren am 1.1.2008 eingeführt.
[33] BGBl I. S. 2279; vgl. zur Begründung BR-Drucks 580/10. Das "begleitete Fahren mit 17" habe sich bewährt, da das Unfall- und Auffälligkeitsrisiko bei jungen FE-Inhabern durch die Teilnahme an der Maßnahme deutlich reduziert sei (22 % weniger Unfälle, 20 % weniger Verkehrstote).

II. Fahrerlaubnis unter Auflagen – Begleitperson

 

Rz. 72

Die Teilnahme am begleiteten Fahren ist freiwillig und muss ausdrücklich beantragt werden. Die Fahranfänger absolvieren die normale Fahrschulausbildung, können damit aber ein Jahr früher beginnen. Kurz vor Vollendung des 17. Lebensjahres können sie die Fahrprüfung – die sich ebenfalls nicht unterscheidet – absolvieren und erhalten statt des Führerscheins eine rote Prüfbescheinigung ausgehändigt. Diese Bescheinigung ist nur zusammen mit einem amtlichen Lichtbildausweis gültig, da in der Prüfbescheinigung kein Lichtbild enthalten ist (DIN A 5 – Format, vgl. Anlage 8a zur FeV). Auf die Ausstellung der Prüfungsbescheinigung besteht ein Rechtsanspruch. Es ist insbesondere keine Ausnahmegenehmigung (§ 74 Abs. 1 und 2 FeV) und keine medizinisch-psychologische Untersuchung (§ 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FeV) erforderlich.

 

Rz. 73

Die mit dieser Bescheinigung dokumentierte Fahrberechtigung umfasst – je nach absolvierter Ausbildung und Prüfung – die Klasse B oder BE, allerdings nur mit Begleitperson; außerdem berechtigt die Bescheinigung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen AM und L ohne Begleitperson, da für diese Klassen ein Mindestalter von 16 Jahren gilt und die FE der Klasse B zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen AM und L berechtigt. Die rote Prüfungsbescheinigung für das "begleitete Fahren mit 17" gilt nur für Fahrten in Deutschland und ist kein Führerschein, der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union anzuerkennen ist[34] (vgl. Art. 4 Abs. 6 S. 4 der VO EG 2006/126/EG, unmittelbar geltende Regelungen: § 6e Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StVG, § 48a Abs. 3 S. 1 FeV).

 

Rz. 74

Die FE wird dem Fahranfänger unter den in der Fahrerlaubnis-Verordnung normativ verfügten Auflagen (§ 48a Abs. 2 S. 1, Abs. 5 S. 1 Nr. 2, Abs. 6 FeV) erteilt, dass der Fahrer während des Führens eines Kraftfahrzeuges von mindestens einer Begleitperson, die in der Prüfbescheinigung aufgeführt ist, begleitet wird.

 

Rz. 75

Kern der Regelung des "begleiteten Fahrens mit 17" ist, dass der Fahranfänger nicht allein fährt, sondern bei jeder Fahrt von einer mindestens 30-jährigen Begleitperson begleitet wird, die namentlich in der Prüfbescheinigung eingetragen ist. Die Begleitperson darf zum Zeitpunkt der Erteilung der Prüfbescheinigung nicht mehr als 1 Punkt im Fahreignungsregister haben und muss seit mindestens 5 Jahren im Besitz einer FE der Klasse B sein. Weiter darf die Begleitperson den Fahranfänger dann nicht begleiten, wenn sie mehr als 0,5 Promille Alkohol im Blut hat oder unter der Wirkung berauschender Mittel steht. Ob die Begleitperson während der Begleitphase zusätzliche Punkte ansammelt ist nicht maßgeblich. Denn es kommt nach § 48a Abs. 5 S. 1 Nr. 3 FeV allein auf den Punktestand der Begleitperson im Zeitpunk...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge