Rz. 1

Das deutsche Erbrecht ist geprägt durch die Testierfreiheit. Eine besondere Gestaltungsmöglichkeit, wie der Erblasser über seinen Tod hinaus noch besonders Einfluss auf die Verfügungen der Erben über seinen Nachlass nehmen kann, ist dabei die Testamentsvollstreckung. Neben dem Aspekt, dass dem Erben dabei weitestgehend jegliche Dispositionsverfügungen entzogen werden können, kann die Testamentsvollstreckung insbesondere auch dazu dienen, die Gläubiger des Erben selbst abzuwehren. Die Testamentsvollstreckung sollte aber nicht als Möglichkeit verstanden werden, patriarchische Strukturen über den Tod hinaus zu konservieren. In vielen Rechtsordnungen anderer Länder ist das Institut der Testamentsvollstreckung auch in den gesetzlichen Grundlagen des Erbrechts vorhanden, jedoch teilweise mit erheblichen abweichenden Befugnissen. So gibt es im schweizerischen Recht den Willensvollstrecker nach Art. 517 ZGB. Im französischen Recht ist der sog. Exécuteur testamentaire in Art. 1025 Code Civil verankert.

Es gibt viele Lebens- und Vermögenssituationen, die einen Erblasser oder auch ein Ehepaar, als gemeinsame Erblasser, dazu bewegen können, darüber nachzudenken, einen Verwalter oder Abwickler für ihren Nachlass zu bestellten. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung nach §§ 2197 ff. BGB will aber für jeden Einzelfall gut überlegt sein. Durch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung kann der Erblasser somit Einfluss auf seinen Nachlass über seinen Tod sicherstellen.

Die Testamentsvollstreckung zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass dem Erben bzw. Vermächtnisnehmer die Verfügungsmacht über den Nachlass genommen und dem Testamentsvollstrecker als Partei kraft Amtes übertragen wird (§ 2205 S. 1 BGB).

Insbesondere sollten sich auch Berater, die an der Abfassung der letztwilligen Verfügung beteiligt sind, gut überlegen, ob zum einen eine Testamentsvollstreckung überhaupt erforderlich erscheint, und zum anderen, ob es ratsam ist, dass der Berater selbst als Testamentsvollstrecker bestellt wird.

Grundsätzlich kann dem Testamentsvollstrecker neben der Aufgabe der Abwicklung eines Nachlasses auch die Rolle eines Moderators zugedacht sein, der im Wege der Abwicklung im Sinne der Ausübung des letzten Willen des Erblassers auch eine friedenssichernde Funktion im Hinblick auf die Erben und Vermächtnisnehmer ausüben kann.[1]

 

Rz. 2

Obwohl der Erbe bzw. die Miterben durch den Anfall der Erbschaft Eigentümer des Nachlasses werden, führt die Anordnung der Testamentsvollstreckung dazu, dass der Nachlass zu einem "Sondervermögen" wird,[2] das rechtlich und tatsächlich vom Vermögen des Erben getrennt zu betrachten ist. Verwalter dieses Sondervermögens ist der regelmäßig, aber nicht zwingend vom Erblasser bestimmte Testamentsvollstrecker, dem gegenüber dem Erben eine selbstständige Stellung zukommt. Nur er ist zu Verfügungen über den Nachlass oder einzelne Nachlassgegenstände berechtigt, während der Erbe selbst zu Verfügungen nicht befugt ist, § 2211 BGB. Die Testamentsvollstreckung beruht auf dem Interesse des Erblassers am künftigen Schicksal seines Vermögens.[3] Insbesondere kann die Bestimmung einer Testamentsvollstreckung sinnvoll sein, wenn Minderjährige Erben oder Vermächtnisnehmer werden. Denn grundsätzlich sind zwar die Eltern als gesetzliche Vertreter nach §§ 1626 ff. BGB zur Vermögenssorge für die Kinder berechtigt, jedoch unterliegen sie ähnlich wie ein Vormund erheblichen Genehmigungspflichten durch das Familiengericht nach §§ 1643 ff., 1821 ff. BGB. Zur Vermeidung dieser Genehmigungspflichten für eine Vielzahl von Rechtsgeschäften, die bei einem Anfall einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses an einen Minderjährigen auftreten könnten, empfiehlt sich die Einrichtung einer Testamentsvollstreckung.[4] Dabei sollte auch in Betracht gezogen werden, ob den Eltern nach § 1638 BGB die Vermögenssorge bezüglich des durch die Erbschaft angefallenen Vermögens durch den Erblasser entzogen wird. Denn dadurch verlieren die Eltern als gesetzliche Vertreter auch die Möglichkeit zur Ausschlagung der Erbschaft für das Kind.[5] Im Übrigen ist dann der Testamentsvollstrecker auch nicht gegenüber den Eltern zur Rechnungslegung nach § 2218 BGB verpflichtet, sondern nur gegenüber dem Pfleger, der für dieses Vermögen dann nach § 1909 Abs. 1 BGB bestellt werden müsste. Die Eltern als gesetzliche Vertreter haben zwar nach § 1640 Abs. 1 BGB eine Pflicht, ein Vermögensverzeichnis beim Familiengericht einzureichen für Vermögen, welches ein minderjähriges Kind von Todes wegen erlangt, jedoch kann der Erblasser die Eltern davon nach § 1638 Abs. 2 BGB befreien. Die bloße Anordnung einer Testamentsvollstreckung genügt dafür nicht.[6]

 

Rz. 3

Auch zur Prozessführung über Nachlassgegenstände ist allein der Testamentsvollstrecker aktiv bzw. passiv legitimiert (§§ 2212, 2213 BGB); er ist ähnlich wie der Insolvenzverwalter Partei kraft Amtes. Liegt Gesamtvollstreckung nach § 2224 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB vor, so bilden mehrere Testamentsvollstrecker eine Streitgen...

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