1. Ausgangspunkt

 

Rz. 221

Zunächst gilt im Bereich des Betriebsvermögens ebenso wie beim Privatvermögen, dass die Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen wie die Erfüllung von Barvermächtnissen beim Erben nicht zu Anschaffungskosten auf den erworbenen Nachlass führen.[307] Der Erbe muss daher auch dann die Buchwerte des Erblassers fortführen, wenn er Aufwendungen in Form von Barvermächtnissen oder Pflichtteilsansprüchen zu tragen hat. Zahlungen zur Abgeltung und Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen sind steuerlich nicht absetzbar. Sie gehören zum notwendigen Privatvermögen. Entsprechende Zahlungen stellen daher keine Betriebsausgaben dar. Dies gilt auch dann, wenn sie vereinbarungsgemäß aus laufenden Betriebseinnahmen erfüllt werden.[308]

 

Praxishinweis

Werden die Grenzen des § 4 Abs. 4a EStG eingehalten, können liquide Mittel für den Pflichtteil aus dem Betriebsvermögen entnommen werden. Im Anschluss daran können notwendige betriebliche Aufwendungen mit Kredit finanziert werden, bei denen der Betriebsausgabenabzug der Schuldzinsen nicht fraglich ist.[309]

 

Rz. 222

Durch gestalterische Maßnahmen des Vertragsgestalters lässt sich im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge jedoch sicherstellen, dass pflichtteilsähnliche Zahlungen als Anschaffungskosten beim Empfänger des Vermögens das Abschreibungspotenzial erhöhen. Wird nämlich im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge der Empfänger eines Betriebes verpflichtet, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Ausgleichszahlung an einen potenziell Pflichtteilsberechtigten zu leisten, so handelt es sich insoweit um Anschaffungskosten. Dies gilt auch dann, wenn diese Zahlungen auf den Pflichtteil anzurechnen sind und aufgrund dieser Zahlung dementsprechend keinerlei weitere Pflichtteilsansprüche mehr anfallen können.[310]

[307] Vgl. Blümich/Stuhrmann, EStG, § 16 Rn 18; Schmidt/Wacker, EStG, § 16 Rn 592; BFH v. 27.11.1996 – X R 85/94, BStBl II 1997, 284 = DB 1997, 1011 = DStR 1997, 571 = FR 1997, 340 = MittRhNotK 1997, 198 = ZEV 1997, 164; BFH v. 29.3.2000 – XI B 147/99, BFH/NV 2000, 952 = ZEV 2000, 286; BFH v. 2.3.1993 – VIII R 47/90, BStBl II 1994, 619 = BB 1993, 1268 = DB 1993, 1398 = DStR 1993, 1016 = FamRZ 1994, 36 = MittBayNot 1994, 69 = NJW 1993, 3222; a.A. nur Paus, BB 1994, 1759, 1761; Schirmer, FR 1991, 484.
[308] BFH v. 2.3.1995 – IV R 62/93, BStBl II 1995, 413; BMF v. 14.3.2006, BStBl I 2006, 253 = DB 2006 Beilage 4 = FR 2006, 438 Tz 35, 63; Blümich/Stuhrmann, EStG, § 16 Rn 18.
[309] Potsch, KÖSDI 2011, 17478, 17487.

2. Leistung an Erfüllungs statt, § 364 BGB

 

Rz. 223

Wie bereits gesehen (siehe Rdn 212), geht die überwiegende Meinung,[311] einschließlich einzelner Urteile des BFH, davon aus, dass durch die Hingabe eines Wirtschaftsguts an Erfüllungs statt für einen Pflichtteilsanspruch – zumindest im Bereich des Privatvermögens – ein Veräußerungsgeschäft verwirklicht werde. Die oben erörterte Problematik gilt insoweit grundsätzlich auch im Bereich des Betriebsvermögens. Allerdings entsteht hier eine zusätzliche Problematik: Nach Meinung des BFH[312] wird kein unmittelbares Veräußerungsgeschäft aus dem Betriebsvermögen getätigt, wenn die Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks in der Befreiung von einer privaten Schuld besteht. Die Pflichtteilslast ist eine ebensolche private Schuld. In diesen Fällen ging der BFH davon aus, dem (nach h.M.) veräußerungsähnlichen Geschäft der Hingabe an Erfüllungs statt gehe zunächst eine Entnahme voraus. Erst nach der Entnahme werde das Veräußerungsgeschäft getätigt. Demgegenüber nehmen Teile des Schrifttums an, dass es sich unmittelbar um ein Veräußerungsgeschäft des Betriebsvermögens handele.[313] Die Auswirkungen beider vorstehend geschilderten Meinungen gleichen sich steuerrechtlich weitestgehend. Unterschiede ergeben sich insbesondere im Hinblick auf § 6b EStG. Die dort geregelte Reinvestitionsrücklage ist bei Entnahmen nicht möglich, wohl aber bei Veräußerungsvorgängen. Nach Meinung des vorstehend zitierten BFH-Urteils würde eine Rücklage nach § 6b EStG daher ausscheiden, wenn Grundbesitz aus dem Betriebsvermögen zur Erfüllung der privaten Pflichtteilslast an den Pflichtteilsberechtigten übereignet würde. In seiner Entscheidung vom 16.12.2004 hat der BFH[314] eine solche vorangehende Entnahme jedoch nicht mehr vertreten, sondern allein ein Veräußerungsgeschäft angenommen. Zumindest der 3. Senat scheint sich damit von der vorstehenden Entnahmethese verabschiedet zu haben.

 

Rz. 224

 

Praxishinweis

Unabhängig davon, welcher Meinung man folgt, gilt: Eine Gewinnrealisierung tritt nach beiden Meinungen ein. Nach der Ansicht, die sich für ein Veräußerungsgeschäft entscheidet, lässt sich der so entstehende steuerpflichtige Gewinn jedoch nachträglich noch durch eine Reinvestition neutralisieren.

 

Rz. 225

Nach der hier vertretenen und bereits oben geschilderten Meinung, wonach die Leistung an Erfüllungs statt zur Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs die Natur der ursprünglichen privaten Verbindlichkeit teilt, also keine Veräußerung verwirklicht wir...

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