aa) Bedeutung für die Berufungsinstanz
Rz. 106
Erstinstanzliche Urteile sind gem. §§ 708 ff. ZPO regelmäßig mit oder ohne Sicherheitsleistung des Gläubigers vorläufig vollstreckbar. Mit dem Antrag gem. §§ 707, 719 ZPO kann der Berufungskläger versuchen, eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil zu erreichen. Der Antrag ist erfolgreich, wenn der Berufungskläger aufzeigen kann, dass sein Einstellungsinteresse das Vollstreckungsinteresse des Berufungsbeklagten überwiegt.
bb) Zeitrahmen für die Antragstellung
Rz. 107
Der dem Anwaltszwang unterliegende Antrag ist an keine besondere Frist gebunden. Er ist bis zur Urteilsverkündung und sogar noch in der Zwischeninstanz zulässig. Die Berufung muss aber eingelegt worden sein. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung steht der Berufungseinlegung nicht gleich. Der Einstellungsantrag vor Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Wiedereinsetzung bleibt also erfolglos.[171]
cc) Erfolgsaussichten der eingelegten Berufung
Rz. 108
Um zu zeigen, dass das Einstellungsinteresse des Berufungsklägers das Vollstreckungsinteresse des Berufungsbeklagten überwiegt, muss der Berufungskläger bei Antragstellung die Erfolgsaussichten der von ihm eingelegten Berufung darlegen. Mit einzubeziehen in die Abwägungsentscheidung ist, ob der Gläubiger ohne oder gegen Sicherheitsleistung aus dem angefochtenen Titel vollstrecken darf; häufig bietet die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung dem Berufungskläger hinreichenden Schutz vor Vollstreckungsschäden.
Rz. 109
Hinweis
Gleichwohl kommt eine Einstellungsentscheidung in Betracht, wenn auch die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung für den Berufungskläger mit einer Ruf- und Kreditschädigung verbunden sein kann oder ein dringendes Geheimhaltungsinteresse gefährdet ist.[172] Dann muss gegebenenfalls hilfsweise beantragt werden, dass die Erklärung nur gegenüber einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Person abgegeben werden darf.[173]
dd) Subsidiarität
Rz. 110
Da der Berufungskläger bereits in der ersten Instanz gem. § 712 ZPO die Möglichkeit hat, einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen und eine unterlassene Entscheidung gegebenenfalls nach § 716 ZPO anzugreifen, ist der Vollstreckungsschutzantrag in der zweiten Instanz nur dann zulässig, wenn sich die Gründe für den Vollstreckungsschutzantrag erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem erstinstanzlichen Gericht herausgestellt haben oder aber eine greifbare Gesetzeswidrigkeit gegeben ist, die eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gebietet.[174]
ee) Erfordernis der Sicherheitsleistung
Rz. 111
Gem. §§ 707, 719 Abs. 1 ZPO kommt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung meistens nur gegen Sicherheitsleistung des Berufungsklägers in Betracht. Der Höhe nach muss die Sicherheitsleistung
▪ | die Vollstreckungsbefugnis des Berufungsbeklagten, |
▪ | die dem Berufungsbeklagten zu ersetzenden Kosten einschließlich etwaiger noch nicht beigetriebener Gerichtskosten und |
▪ | die Verzinsung der Gesamtsumme |
abdecken.
ff) Einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung
Rz. 112
Ohne Sicherheitsleistung darf die Zwangsvollstreckung nur eingestellt werden, wenn der Berufungskläger gem. § 707 Abs. 1 S. 2 ZPO glaubhaft macht, dass er zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und ihm die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil (etwa Entzug der Existenzgrundlage) bringen würde. Die Anforderungen sind hier besonders streng.
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