Rz. 238

Häufig sind Wiedereinsetzungsgesuche wegen fehlerhaft notierter Fristen erforderlich. Um den Wiedereinsetzungsantrag bei falscher Fristennotierung erfolgreich stellen zu können, muss der Bevollmächtigte des Berufungsklägers Folgendes beachten:

Er darf zu dem Zeitpunkt, zu dem er den Verlängerungsantrag stellt, keinesfalls anordnen, dass die ursprüngliche Berufungsbegründungsfrist gestrichen wird. Diese Frist muss vielmehr so lange notiert bleiben, bis das Berufungsgericht über den Verlängerungsantrag entschieden hat.[365]
Gleichzeitig ist zu dokumentieren, dass der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gestellt worden ist. Der Bevollmächtigte des Berufungsklägers muss hierbei darauf achten, dass der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender vornotiert wird und auf dem Aktendurchschlag, dem Handaktenbogen oder dem Postausgangsbuch ein Vermerk über den Ausgang des Fristverlängerungsgesuchs notiert wird.[366] Anzubringen ist der Vermerk von einer zuverlässigen Bürokraft und – zur Risikoreduzierung – auch von derjenigen Person, die das Schriftstück zur Absendung gebracht hat.[367]
Ist die Berufungsbegründungsfrist errechnet und befindet sich in den Handakten ein Vermerk über die Notierung der Frist im Fristenbuch, kann sich der Rechtsanwalt grundsätzlich auf die Prüfung des Erledigungsvermerks in der Handakte beschränken und braucht nicht noch zu überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich im Fristenkalender eingetragen ist, außer es drängen sich an der Richtigkeit Zweifel auf. Findet sich in der Handakte kein auf die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender bezogener Erledigungsvermerk, bleibt der Rechtsanwalt zur Kontrolle der Eintragung im Fristenkalender verpflichtet.[368]
Das mutmaßliche Ende der gewährten Frist muss mit Vorfrist im Fristenkalender eingetragen werden.[369] Bei Eingang der Entscheidung über die Fristverlängerung muss ein Vergleich zwischen der gewährten und beantragten (gegebenenfalls telefonisch mitgeteilten) Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vorgenommen werden.[370]
Beim ersten Fristverlängerungsantrag ist es allerdings nicht Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung, dass sich auch der Rechtsanwalt vor Fristablauf vorsorglich erkundigt, ob seinem Antrag stattgegeben worden ist.[371] Der Vorsitzende, der eine erste Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ablehnt, weil dafür kein erheblicher Grund dargelegt worden war, ist grundsätzlich nicht verpflichtet, diese Entscheidung dem Rechtsmittelführer noch vor Fristablauf notfalls per Telefon oder Telefax mitzuteilen. Vielmehr hat dieser sich rechtzeitig bei Gericht zu erkundigen, weil er mit einer Ablehnung des unbegründeten Antrags rechnen musste.[372] Beim zweiten Fristverlängerungsantrag sollte eine solche Erkundigung regelmäßig eingeholt werden.[373]
Wird über den Ablauf des Zeitraums, bis zu dem die Fristverlängerung beantragt worden ist, nicht vom Berufungsgericht entschieden, ist ein etwaiges Vertrauen des Berufungsklägers dahin gehend, dass die Berufungsbegründungsfrist wenigstens bis zur Entscheidung des Berufungsgerichts über den Antrag verlängert wird, nicht geschützt. Einem Wiedereinsetzungsantrag ist unter diesen Voraussetzungen nicht stattzugeben.[374]
Der Anwalt muss sicherstellen, dass nicht ein einfacher Tippfehler bei der Dateneingabe im elektronischen Fristenkalender zur Versäumung von Notfristen führt. Das Fehlerrisiko bei der Eingabe von Daten über die Tastatur ist größer als bei der handschriftlichen Dateneingabe. Deswegen muss eine zweite Person die Eingaben überprüfen.[375]
[366] BGH NJW-RR 1991, 1150; BGH FamRZ 1992, 297.
[367] BGH FamRZ 1992, 297.
[370] BGH NJW 1997, 1860.
[371] BVerfG NJW-RR 2001, 1076; BGH NJW-RR 2017, 1532; BGH NJW 1983, 1741.
[372] BGH NJOZ 2008, 300.
[373] BGH NJW-RR 1991, 1150, 1151.
[374] BGH NJW 1996, 2659.

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