Rz. 115

Es ist der bedürftigen Partei aus Kostengründen zu empfehlen, zunächst nur isoliert um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachzusuchen und den Prozesskostenhilfeantrag nicht mit der Berufungseinlegung zu kombinieren. Wird der Prozesskostenhilfeantrag unter Beachtung aller formellen Voraussetzungen innerhalb der Berufungsfrist gestellt, entstehen der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei keine Nachteile. Denn wird – wie üblich – erst nach Ablauf der Berufungsfrist über die Prozesskostenhilfe entschieden, kann die um Prozesskostenhilfe nachsuchende Partei innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 234 Abs. 1 ZPO den Wiedereinsetzungsantrag stellen.[176] Wird Prozesskostenhilfe bewilligt, läuft die Wiedereinsetzungsfrist mit der Bekanntgabe der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe an die Partei bzw. ihren Bevollmächtigten. Wird Prozesskostenhilfe versagt, hat der Berufungskläger eine kurze Überlegungsfrist (dazu Rdn 127), nach deren Ende die Wiedereinsetzungsfrist zu laufen beginnt.[177]

 

Rz. 116

 

Hinweis

Die bedürftige Partei muss aber ihr vollständiges Gesuch um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Rechtsmittelverfahren unter Verwendung der vorgeschriebenen Vordrucke und Beifügung aller erforderlichen Unterlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist einreichen. Ein Insolvenzverwalter hat daher die Rechtsmittelfrist in der Regel nicht unverschuldet versäumt, wenn er innerhalb der Frist einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt, jedoch nicht dargelegt hat, aus welchen tatsächlichen Gründen den wirtschaftlich beteiligten Insolvenzgläubigern eine Prozessfinanzierung nicht zumutbar ist.[178] Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den erforderlichen Belegen kann aber erst nach Ablauf der Berufungsfrist beim Berufungsgericht eingereicht werden, wenn der Vorsitzende des Berufungsgerichts ihm zur Vorlage dieser Unterlagen eine über das Ende der Berufungsfrist hinausgehende Frist gesetzt hatte.[179]

 

Rz. 117

Eine bedürftige Prozesspartei, die eine gegen sie ergangene Entscheidung mit der Berufung angreifen will, kann sich also darauf beschränken, innerhalb der Berufungsfrist einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beifügung der nach § 117 Abs. 2 ZPO erforderlichen Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den notwendigen Belegen beim Prozessgericht einzureichen und die Berufungseinlegung bis zur Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zurückzustellen. Das gilt auch dann, wenn neben dem Prozesskostenhilfegesuch durch die Partei persönlich unter Vernachlässigung des Anwaltszwangs ein unzulässiges Rechtsmittel eingelegt worden ist. Das Berufungsgericht muss dann vor einer Verwerfung der Berufung als unzulässig zunächst über den Prozesskostenhilfeantrag entscheiden.[180]

 

Rz. 118

Die unbemittelte Partei muss den Prozesskostenhilfeantrag nicht begründen. § 117 Abs. 1 S. 2 ZPO gilt im Rechtsmittelverfahren nicht. Mit dem Argument, die bedürftige Partei habe ihr Prozesskostenhilfegesuch nicht begründet, darf dem Rechtsmittelführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht versagt werden. Denn das Berufungsgericht ist nach Eingang des Prozesskostenhilfeantrags zur eingehenden Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels von Amts wegen verpflichtet.[181]

 

Rz. 119

 

Hinweis

Ungeachtet dessen ist es in der Praxis aber empfehlenswert, den Prozesskostenhilfeantrag zu begründen.[182] Dies erleichtert dem Berufungsgericht die Prüfung und eröffnet zudem weitere Argumentationslinie, da das Berufungsgericht bspw. (ggf. zu berücksichtigende) neue Tatsachen und Beweismittel sowie Aspekte zur Begründung von Zweifeln an den erstinstanzlichen Feststellungen nicht kennt. Mit der bloßen Stellung und Begründung des Prozesskostenhilfeantrags erbringt der Prozessbevollmächtigte eines Berufungsklägers die im zweiten Rechtszug anfallenden, vergütungspflichtigen Leistungen noch nicht und bringt gerade nicht seine Bereitschaft zum Ausdruck, das Rechtsmittel auch ohne Bewilligung von Prozesskostenhilfe einlegen und begründen zu wollen. Die Prozesspartei ist also dennoch als aufgrund ihrer Mittellosigkeit an der Einlegung des Rechtsmittels gehindert anzusehen.[183]

[176] BGH NJW 1997, 1078; BGH VersR 2000, 383; BGH NJW-RR 2000, 879.
[181] BGH NJW 1993, 732, 733; BGH NJW-RR 2001, 570; BGH NJW-RR 2001, 1146, 1147.
[182] Vgl. auch Zöller/Geimer, § 119 ZPO Rn 54.
[183] BGH NJW-RR 2018, 61, 63.

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