Tenor

1. Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 6. März 2000 gewährt.

2. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 6. März 2000 aufgehoben.

Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt, auch soweit ihr Antrag auf Prozeßkostenhilfe für die Berufung zurückgewiesen worden ist.

 

Gründe

I. Das Landgericht hat die Beklagte zur Auskunft über den Bestand der Erbschaft, zur Herausgabe eines Pkw sowie zur Herausgabe verschiedener Sparbücher verurteilt. Rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsfrist beantragte die Beklagte Prozeßkostenhilfe für den zweiten Rechtszug. Mit Beschluß vom 17. Januar 2000 gewährte das Kammergericht Prozeßkostenhilfe nur für eine Berufung gegen die Verurteilung zur Herausgabe des Pkw; im übrigen wurde das Prozeßkostenhilfegesuch zurückgewiesen. Innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses ging die Berufungsschrift ein verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Anträge und Begründung der Berufung blieben ausdrücklich einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Mit dem angegriffenen Beschluß vom 6. März 2000 gewährte das Kammergericht der Beklagten die beantragte Wiedereinsetzung „nach Maßgabe des Senatsbeschlusses vom 17. Januar 2000”. Mit der rechtzeitig eingegangenen Berufungsbegründung wandte sich die Beklagte nicht nur gegen ihre Verurteilung zur Herausgabe des Pkw, sondern auch gegen ihre Verurteilung im übrigen. Der Senatsvorsitzende wies den Beklagtenvertreter darauf hin, daß Prozeßkostenhilfe und Wiedereinsetzung nur in beschränktem Umfang bewilligt worden seien; soweit die Berufung darüber hinaus durchgeführt werden solle, komme ihre Verwerfung als unzulässig in Betracht.

Innerhalb von zwei Wochen nach Zugang dieses Hinweises erhob die Beklagte sofortige Beschwerde gegen den Beschluß vom 6. März 2000. Zugleich beantragte sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde. Zur Begründung führt der Beklagtenvertreter aus, er habe dem angegriffenen Beschluß unverschuldet nicht entnommen, daß Wiedereinsetzung nur eingeschränkt habe bewilligt werden sollen. Zwar werde auf den Senatsbeschluß vom 17. Januar 2000 verwiesen. Dieser äußere sich jedoch nur zur Prozeßkostenhilfe. Auf die Erfolgsaussichten komme es für die Wiedereinsetzung nicht an.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 238 Abs. 2 Satz 1, 519b Abs. 2, 567 Abs. 4 Satz 2, 577 Abs. 2 ZPO). Der Beklagten war Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist zu gewähren. Dem Zusatz im angegriffenen Beschluß, Wiedereinsetzung werde „nach Maßgabe des Senatsbeschlusses vom 17. Januar 2000” gewährt, ist zwar seinem Wortlaut nach zu entnehmen, daß Wiedereinsetzung nur insoweit gewährt wird, wie Prozeßkostenhilfe bewilligt worden war. Andererseits war die beantragte Prozeßkostenhilfe nur mangels Erfolgsaussicht teilweise abgelehnt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmittelfrist Prozeßkostenhilfe beantragt hat, bis zur Entscheidung über den Antrag solange als ohne sein Verschulden an der Einlegung des Rechtsmittels verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen muß; hinsichtlich der Erfolgsaussichten bedarf es nicht einmal einer sachlichen Begründung im Prozeßkostenhilfegesuch (BGH, Beschluß vom 11. November 1992 – XII ZB 118/92 – NJW 1993, 732, 733 unter II 2). Der Hinweis im angegriffenen Beschluß, Prozeßkostenhilfe werde „nach Maßgabe des Senatsbeschlusses vom 17. Januar 2000” gewährt, konnte im Lichte der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dahin verstanden werden, daß jedenfalls an der Bedürftigkeit der Beklagten, die im Beschluß vom 17. Januar 2000 ausdrücklich bejaht worden war, kein Zweifel bestand. In Anbetracht dieser Deutungsmöglichkeit konnte der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten ohne Verschulden zu der Auffassung gelangen, das Kammergericht habe Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufung ohne jede Einschränkung gewährt. Dieses Hindernis für eine rechtzeitige Einlegung der sofortigen Beschwerde war erst behoben, als er durch den Hinweis des Senatsvorsitzenden erfuhr, daß mit dem Beschluß vom 6. März 2000 Wiedereinsetzung nur in beschränktem Umfang bewilligt worden war. Der rechtzeitig gemäß § 234 ZPO eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur sofortigen Beschwerde ist daher begründet.

Auch wenn Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren mangels Erfolgsaussicht versagt wird, ist eine Partei, die die wirtschaftlichen Voraussetzungen des § 114 ZPO für genügend dargetan halten durfte, bis zur Entscheidung über ihr Prozeßkostenhilfegesuch (sowie bis zum Ablauf einer weiteren kurzen Überlegungsfrist) ohne Verschulden verhindert, die Berufungsfrist einzuhalten (BGH, Beschluß vom 28. November 1984 – IVb ZB 119/84 – NJW 1986, 257 f.). Deshalb war der Beklagten auf ihre sofortige Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf der Berufungsfrist zu gewähren, auch soweit ihr Antrag auf Prozeßkostenhilfe für die Berufung zurückgewiesen worden ist.

 

Unterschriften

Dr. Schmitz, Prof. Römer, Dr. Schlichting, Terno, Ambrosius

 

Fundstellen

NJW-RR 2001, 570

JurBüro 2002, 278

MittRKKöln 2001, 154

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