Rz. 248

Mit der zur Durchführung des Berufungsverfahrens zwingend erforderlichen Berufungsbegründung bringt der Berufungskläger eindeutig zum Ausdruck, inwieweit er eine Abänderung des angefochtenen Urteils begehrt. Zur Vermeidung von Missverständnissen – etwa bei parallel gestelltem PKH-Antrag[381] – sollte der Schriftsatz als Berufungsbegründung bezeichnet werden und die Berufungsanträge enthalten (§ 520 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 ZPO). Die formalen Anforderungen an die Berufungsbegründung regelt § 520 ZPO. Hat der Kläger dargelegt, inwieweit eine Urteilsabänderung von ihm ernsthaft begehrt wird, muss er gleichzeitig aufzeigen, auf welche Tatsachen und Überlegungen er dieses Abänderungsinteresse stützen möchte und diese konkret benennen (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2–4 ZPO).[382] Demgegenüber sind keine zwingenden Bestandteile in der Berufungsbegründung die Angabe des Beschwerdewerts (§ 520 Abs. 4 Nr. 1 ZPO) und die Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen (§ 520 Abs. 4 Nr. 2 ZPO).

 

Rz. 249

 

Hinweis

Die nach § 520 Abs. 3 Nr. 2–4 ZPO erforderlichen Angaben sind Zulässigkeitsvoraussetzungen. Für die Zulässigkeit der Berufung ist aber ausreichend, dass nur ein Angriff im Sinne des § 520 Abs. 3 Nr. 2–4 ZPO den Berufungsantrag stützt. Dies gilt unabhängig davon, ob gerade auf diesem Angriff später der Erfolg der Berufung beruht oder auf anderen, selbst nicht in der Berufungsbegründung enthaltenen Punkten.[383] Eine Schlüssigkeit – oder auch nur Vertretbarkeit der erhobenen Rügen[384] – der Berufungsbegründung ist nicht erforderlich.[385]

 

Rz. 250

Es genügt, wenn die Begründung der angefochtenen Entscheidung nach Maßgabe des § 520 Abs. 3 Nr. 2–4 ZPO angegriffen wird. Die Begründung muss also – ihre Richtigkeit unterstellt – geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen und auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein.[386] Es genügt nicht, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (zur Bezugnahme Rdn 338 ff.).[387] Liegt dem Rechtsstreit ein einheitlicher Streitgegenstand zugrunde, muss der Berufungskläger nicht zu allen für ihn nachteilig beurteilten Streitpunkten in der Berufungsbegründung Stellung nehmen, wenn schon der allein vorgebrachte – unterstellt erfolgreiche – Berufungsangriff gegen einen Punkt geeignet ist, der Begründung des angefochtenen Urteils insgesamt die Tragfähigkeit zu nehmen.[388]

 

Rz. 251

 

Beispiele

Wird die Klage auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall allein aus dem Gesichtspunkt der Verjährung abgewiesen, reicht es grundsätzlich für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung aus, dass der Kläger vorträgt, die aus einem bestimmten Unfallereignis geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien nicht verjährt.[389]
Reduziert der in erster Instanz voll unterlegene Kläger in seiner Berufung den Gesamtumfang der Klageforderung ohne anzugeben, wie sich der reduzierte Gesamtbetrag auf seine mehreren erstinstanzlich gestellten Klageanträge verteilt, so steht dies nicht der Zulässigkeit der Berufung, sondern allein der Zulässigkeit der Klage entgegen und betrifft somit einen Mangel, der auch noch nach dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, nämlich bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz, behoben werden kann.[390]
 

Rz. 252

Stützt sich die angegriffene Entscheidung auf eine "Doppelbegründung", muss dem in der Berufungsbegründung Rechnung getragen werden. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen. Anderenfalls ist die Berufung unzulässig.[391] Nur ausnahmsweise genügt der Angriff gegen einen Grund, wenn dieser aus Rechtsgründen auch den anderen Grund zu Fall bringt.[392]

 

Rz. 253

 

Beispiel

Die Klage auf Schadensersatz wegen eines Sachmangels wird mit der Begründung abgewiesen, es liege kein Sachmangel vor und auch bei Unterstellung eines Sachmangels seien die Ansprüche jedenfalls verjährt. Hier müssen beide Begründungsansätze angegriffen werden. Verhält sich die Berufungsbegründung nicht zur Verjährung, ist die Berufung unzulässig.[393]

 

Rz. 254

Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, dass für jeden Streitgegenstand zumindest eine zulässige Berufungsrüge vorliegt. Denn nur dann greift – auch wenn die konkret ausgeführte Berufungsrüge unschlüssig ist – die umfassende inhaltliche Prüfungspflicht des Berufungsrichters in Bezug auf das Ersturteil, die auch über die Angriffe der Berufungsbegründung hinausreicht.

 

Rz. 255

 

Hinweis

Bei mehreren Streitgegenständen oder einem teilbaren Streitgegenstand muss sie sich grundsätzlich auf alle Teile der angefochtenen Entscheidung erstrecken, hinsichtlich derer eine Abänderung beantragt ist; andernfalls ist das Rechtsmittel für den nicht begründeten Teil unzulässig.[394]

[381] Vgl. etwa BGH NJW-RR 2018, 61; BGH BeckRS ...

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