a) Ausgangslage

 

Rz. 198

Die Berufungsfrist ist nicht verlängerbar (vgl. § 224 Abs. 2 ZPO). Wird die Frist versäumt, kann nur ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand helfen.

b) Wiedereinsetzungsgründe

 

Rz. 199

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann gem. §§ 233 ff. ZPO beantragt werden, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung einer Frist gehindert war. Hierzu gibt es eine umfangreiche, sich ständig weiterentwickelnde Kasuistik.[311]

 

Rz. 200

 

Beispiele

Wiedereinsetzung kommt in Betracht, wenn die Frist wegen einer fehlerhaften Telefaxnummer des Gerichts in einem seit Jahren bewährten EDV-Programm Grund für die Fristversäumnis war; eine organisatorische Anweisung des Anwalts an seine Bürokraft, eine Abgleichung der Faxnummer mit den Angaben im Anschreiben des Gerichts oder im Telefonbuch vorzunehmen, ist grundsätzlich nicht erforderlich.[312]

Ferner kommt Wiedereinsetzung in Betracht, wenn der Rechtsanwalt bei Vorlage der zweiseitigen Berufungsschrift bemerkt, dass das Berufungsgericht auf der ersten Seite falsch bezeichnet ist, die Berufungsschrift gleichwohl unterschreibt und die bislang erprobte und zuverlässige Kanzleiangestellte, die bei ihm schon vier Jahre beschäftigt ist, damit beauftragt, die erste Seite der Berufungsschrift entsprechend seinen Anweisungen zu korrigieren.[313]

Wiedereinsetzung wird aber nicht gewährt, wenn der Anwalt, der die Berufungsschrift unterschrieben hat, die Zuständigkeit des Berufungsgerichts im Vertrauen darauf nicht selbst geprüft hat, dass die Zuständigkeit von einem anderen anwaltlichen Kollegen aus der Sozietät ordnungsgemäß überprüft wurde.[314]

Eine Partei, die nicht in der Lage ist, die Prozesskosten zu tragen, muss ihr vollständiges Gesuch um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Rechtsmittelverfahren unter Verwendung der vorgeschriebenen Vordrucke und Beifügung aller erforderlichen Unterlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist einreichen; ist dies nicht geschehen, war die Partei nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Rechtsmittelfrist einzuhalten.[315]

[311] Zur aktuellen Entwicklung vgl. die Überblicksaufsätze von Bernau, NJW 2017, 2001; NJW 2016, 1999; NJW 2015, 2004; NJW 2014, 2007; NJW 2013, 2001; NJW 2012, 2004.

c) Wiedereinsetzungsfrist

 

Rz. 201

Der Wiedereinsetzungsantrag ist hinsichtlich der Berufungsfrist nach § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO innerhalb von zwei Wochen zu stellen. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist, aufgrund dessen die Berufungsfrist nicht eingehalten wurde (§ 234 Abs. 2 ZPO). Gem. § 234 Abs. 3 ZPO kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aber nicht mehr beantragt werden, wenn von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet ein Jahr vergangen ist.

 

Rz. 202

 

Hinweis

Bei Überschreitung der Jahresfrist soll jedoch ausnahmsweise Wiedereinsetzung beantragt werden können, wenn:

die Fristüberschreitung während eines PKH-Verfahrens erfolgt,[316]
der Prozessgegner auf den Eintritt der Rechtskraft nicht vertrauen durfte und der Antragsteller den Ablauf der Ausschlussfrist nicht zu vertreten hat.[317]
[316] BGH NJW 1973, 1373.
[317] OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 136; OLG Stuttgart NJW-RR 2002, 716.

d) Wiedereinsetzungsantrag

 

Rz. 203

Der Wiedereinsetzungsantrag in die Berufungsfrist muss der Form des Antrags entsprechen, die für die versäumte Prozesshandlung – hier also die Berufungseinlegung – zu beachten ist. Gem. § 236 Abs. 2 S. 2 letzter Hs. ZPO muss die Wiedereinsetzung zwar nicht ausdrücklich beantragt werden, wenn innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO die versäumte Prozesshandlung nachgeholt wird. Dies allein kann aber nur dann hinreichen, wenn die Wiedereinsetzungsgründe gerichtskundig sind, wie z.B. die im Prozesskostenhilfeverfahren bekannt gewordene Mittellosigkeit einer Partei.

 

Rz. 204

 

Hinweis

Für die Praxis sollte man sich hierauf nicht verlassen und den Wiedereinsetzungsantrag grundsätzlich als unentbehrlich betrachten.

e) Wiedereinsetzungsbegründung

 

Rz. 205

Gem. § 236 Abs. 2 S. 1 ZPO muss der Antrag die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. Insoweit bedarf es der Darstellung dessen, weshalb der Berufungskläger ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Berufungsfrist einzuhalten. Pauschale Behauptungen genügen nicht.[318] Die Ergänzung eines das Wiedereinsetzungsgesuch begründenden Vortrags oder seiner Glaubhaftmachung kann dabei auch noch nach Ablauf der Fristen der §§ 234, 236 Abs. 2 ZPO erfolgen.[319]

[319] BGH NJW-RR 2016, 952, 954.

f) Glaubhaftmachung

 

Rz. 206

Glaubhaft zu machen sind die Wiedereinsetzungsgründe. Dem Berufungskläger bleibt grundsätzlich bis zur Beschlussfassung über die Wiedereinsetzung Zeit, die eidesstattlichen Versicherungen vorzulegen, die erforderlich sind, um den zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags unterbreiteten Tatsachenvortrag glaubhaft zu machen.[320]

 

Rz. 207

 

Hinweis

Empfehlenswert ist gleichwohl eine frühzeitige Glaubhaftmachung möglichst mit der Antragstellung, um einer überraschend zügigen Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags und...

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