Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer öffentlichen Zustellung und Wiedereinsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die richtig ausgeführte Zustellung ist wirksam, selbst wenn die Voraussetzungen für deren Bewilligung nach § 203 ZPO nicht erfüllt gewesen sind.

2. Die Ausschlussfrist von einem Jahr gemäß § 234 Abs. 3 ZPO findet nur dann keine Anwendung, wenn der Prozessgegner auf den Eintritt der Rechtskraft nicht vertrauen darf und der Antragsteller den Ablauf der Ausschlussfrist nicht zu vertreten hat.

 

Normenkette

ZPO §§ 203, 234 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 25 O 483/00)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 2.7.2001, 25 O 483/00, wird

zurückgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Beschwer des Beklagten beträgt 221.430,38 DM.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 221.430,38 DM.

 

Tatbestand

Der Kläger hat am 28.5.1994 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und eine Klage auf Zahlung von 221.430,38 DM wegen eines Schadensersatzanspruchs infolge Nichterfüllung eines von den beiden Parteien unterzeichneten Kaufvertrages über 10.800 steingewaschene Levis Blue Jeans vom 7.4.1993 (Bl. 177 d.A.) ergänzt durch Vertrag vom 8.4.1993 (Bl. 124 d.A.) eingereicht.

Die vom LG verfügte Zustellung des Prozesskostenhilfeantrags und der Klage unter der Anschrift „St.-Str., 70597 Stuttgart” scheiterte mit dem Vermerk „Empfänger unbekannt verzogen” (vgl. Postzustellungsurkunde vom 4.6.1994, Bl. 10b d.A.). Der Kläger beantragte daraufhin mit Schriftsatz vom 16.9.1994 (Bl. 10cff. d.A.) die öffentliche Zustellung der Klageschrift. Hierzu legte er eine eidesstattliche Versicherung vom 26.8.1994 (Bl. 13 f. d.A.) vor, in der u.a. versichert wurde, dass eine Ermittlung der Anschrift des Beklagten über Geschäftsfreunde und sonstige Bekannte versucht worden, aber vergeblich verlaufen ist. Außerdem legte er vor eine Auskunft aus dem Gewerberegister der Stadt Stuttgart vom 24.3.1994 (Anlage K 10, Bl. 134 d.A.), in der als Wohnung „S.-Str., 70439 Stuttgart” angegeben ist, eine Auskunft der Creditreform vom 23.3.1994 (Anlage K 17, Bl. 99 d.A.), aus der sich ergibt, dass die Anschrift „S.-Str., Stuttgart” nicht mehr besteht, und Auskünfte der Einwohnermeldeämter Stuttgart vom 9.4.1994 mit dem Ergebnis „Verzogen ohne Angabe des neuen Aufenthaltsorts” (Anlage K 10, Bl. 136 d.A.), E. vom 5.7.1994 mit dem Ergebnis „Die Person ist in E. nicht gemeldet oder gemeldet gewesen.” (Anlage K 11, Bl. 137 d.A.), G. vom 11.7.1994 (Anlage K 12, Bl. 138 d.A.) und H. vom 12.7.1994 mit dem Ergebnis „Gesuchte Person ist uns nicht bekannt.” (Anlage K 13, Bl. 139 d.A.). Zudem wurde vorgelegt eine Auskunft des Einwohnermeldeamts A. vom 11.7.1994 mit der Auskunft „Genannter ist und war in A. nicht gemeldet” (Anlage K 14, Bl. 140 d.A.) und des Einwohnermeldeamts Stuttgart-Stammheim vom 15.7.1994 mit dem Ergebnis „Abgemeldet ohne Angaben.” (Anlage K 15, Bl. 141 d.A.).

Mit Beschl. v. 27.12.1994, 25 O 313/94, bewilligte das LG die öffentliche Zustellung von Klage und Verfügung nach § 276 Abs. 1 ZPO (Bl. 35 d.A.). Die Einrückung in den Bundesanzeiger erfolgte am 5.1.1995 und nochmals am 3.3.1995 (Bl. 41 u. Bl. 43 d.A.). Die Anheftung an die Gerichtstafel erfolgte in der Zeit vom 2.1.1995 bis 16.1.1995 (Bl. 42 d.A.). Am 21.4.1995 ist ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten ergangen (Bl. 49 f. d.A.), dessen öffentliche Zustellung am 8.5.1995 vom Kläger beantragt worden ist (Bl. 45 f. d.A.). Mit Beschluss vom 9.5.1995 hat das LG die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils vom 21.4.1995 bewilligt (Bl. 48 d.A.). Die Anheftung an der Gerichtstafel erfolgte in der Zeit vom 12.5.1995 bis 2.6.1995 (Bl. 48 d.A.).

Der Beklagte hat mit am 31.10.2000 eingegangenem Schriftsatz Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 21.4.1995 erhoben und zugleich Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumnis der Einspruchsfrist gestellt. Er hat eine Kopie einer am 16.12.1994 erfolgten Anmeldung bei der Landeshauptstadt Stuttgart unter der Anschrift „H., 70437 Stuttgart” (Anlage B 1, Bl. 88 d.A.) vorgelegt und geltend gemacht, er sei ab dem 9.12.1994 unter dieser Anschrift und zuvor in H. wohnhaft gewesen und habe erst bei einem Vollstreckungsversuch vom 24.10.2000 Kenntnis von dem Versäumnisurteil erlangt.

Das LG hat mit Beschluss vom 2.7.2001 den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und den Einspruch des Beklagten vom 30.10.2000 gegen das Versäumnisurteil des LG Stuttgart vom 21.4.1995, 25 O 313/94, verworfen. Zur Begründung wird auf den Beschluss des LG Bezug genommen (Bl. 180–186 d.A.). Der Beschluss wurde dem Beklagtenvertreter am 10.7.2001 zugestellt. Die hiergegen vom Beklagten eingelegte sofortige Beschwerde ist am 24.7.2001 beim LG eingegangen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die öffentliche Zustellung der Klage und des Versäumnisurteils sei nicht zulässig gewesen, da er zu jenem Zeitpunkt in Stuttgart u...

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