a) Ausgangslage

 

Rz. 381

Nach Urteilszustellung muss sich die obsiegende Partei – ebenso wie die unterlegene Partei – um die Fristenkontrolle kümmern. Bereits hiermit beginnt für sie gedanklich das Berufungsverfahren.

 

Rz. 382

Zuerst muss der Berufungsbeklagte bereits in Ansehung des bevorstehenden Berufungsverfahrens:

die Tatbestandsberichtigungsfrist (zwei Wochen ab Zustellung) beachten, um nicht mit solchen tatsächlichen Ausführungen präkludiert zu sein, über die der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils keinen Beweis liefert (näher Rdn 63 ff.),
die Urteilsergänzungsfrist (zwei Wochen ab Zustellung) einhalten, wenn der Tenor der anfechtbaren Entscheidung unvollständig ist (näher Rdn 76 ff.).
 

Rz. 383

Arrest und einstweilige Verfügungen müssen gem. § 929 Abs. 2 ZPO binnen Monatsfrist vollzogen werden. Jede zulässige Berufung gegen eine Urteilsverfügung ist schon dann erfolgreich, wenn der Berufungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung nicht die ordnungsgemäße Vollziehung gem. § 929 Abs. 2 ZPO nachweisen kann. Zum Nachweis der Vollziehung reicht der Nachweis der Urteilszustellung von Amts wegen nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine Zustellung der Urteilsverfügung im Parteibetrieb.[573]

[573] OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 763; OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1987, 764.

b) Berufungserwiderungsfrist und Anschlussberufungsfrist

aa) Fristsetzung

 

Rz. 384

Eine gesetzlich normierte Berufungserwiderungsfrist gibt es nicht. Der Vorsitzende oder das Berufungsgericht kann dem Berufungsbeklagten gem. § 521 Abs. 2 S. 1 ZPO eine Frist zur schriftlichen Berufungserwiderung von mindestens zwei Wochen (§§ 521 Abs. 2 S. 2, 277 Abs. 3 ZPO) setzen. Die Frist ist zu notieren. Sie ist zugleich für die Anschlussberufung maßgebend (§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO). Die Berufungserwiderungsfrist ist keine Notfrist; sie kann deswegen auf Antrag des Berufungsbeklagten verlängert werden. Die strengen Bestimmungen für die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO) gelten für die Berufungserwiderungsfrist nicht.

 

Rz. 385

Regelmäßig bestimmt der Vorsitzende, dass die Berufungserwiderungsfrist an einem bestimmten Tag abläuft. Insoweit ist es für den Berufungsbeklagten leicht, den Lauf der Berufungserwiderungsfrist unter Kontrolle zu halten. Bei Fristende an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag ist der nächste Werktag maßgebend.

 

Rz. 386

Bei Fristversäumung ist keine Wiedereinsetzung möglich. Nicht fristgerecht geführter Vortrag kann der Präklusion nach § 530 i.V.m. § 296 Abs. 1 ZPO unterliegen.

bb) Ausbleibende Fristsetzung

 

Rz. 387

Unterbleibt die Fristsetzung oder erfolgt diese nicht wirksam,[574] bleiben die Berufungserwiderung und die Einlegung der Anschlussberufung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich.[575] Der Berufungsbeklagte kann aber aus der allgemeinen Prozessförderungspflicht nach § 525 i.V.m. § 282 Abs. 1 ZPO zur Berufungserwiderung verpflichtet sein. Trägt er nicht rechtzeitig vor, riskiert er – auch ohne Fristsetzung – eine Präklusion nach § 525 i.V.m. § 296 Abs. 1 und 2 ZPO.

[574] BGH NJW 2009, 515; siehe auch BGH GRUR 2017, 785.
[575] Zöller/Heßler § 524 ZPO Rn 10.

cc) Anwaltsgebühren bei Anschlussberufung

 

Rz. 388

Durch die Einlegung und Begründung der Anschlussberufung erhöht sich der Wert des Streitgegenstandes. Dies führt dazu, dass sich auch die Verfahrensgebühr erhöht. Diese berechnet sich gem. §§ 2 Abs. 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3200 VV als 1,6-Gebühr.

c) Klagefrist für die Wiederaufnahmeklage

 

Rz. 389

Der Berufungsbeklagte kann wegen §§ 579 Abs. 2 bzw. 582 ZPO gehalten sein, Gründe, die zur Wiederaufnahme des Verfahrens Anlass geben, mit der Anschlussberufung geltend zu machen, wenn der Berufungskläger Berufung eingelegt hat und die Anschlussberufungsfrist gem. § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO noch nicht abgelaufen ist. Nutzt der Berufungsbeklagte die Möglichkeit der Anschlussberufung in diesen Fällen nicht, ist die Wiederaufnahmeklage bereits aus diesem Grund unzulässig.[576] Bei Berufungszurücknahme muss der Berufungsbeklagte, der Anschlussberufung eingelegt und diese mit einem Argument begründet hat, das auch die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen würde, allerdings die Wiederaufnahmefrist gem. § 586 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO notieren.

 

Rz. 390

 

Beispiel

Erhebt der Berufungsbeklagte Anschlussberufung, ist deren Erfolg davon abhängig, ob die Hauptberufung auch tatsächlich durchgeführt wird. Wird die Hauptberufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen oder nimmt der Berufungskläger die Berufung gem. § 516 Abs. 3 ZPO zurück, fehlt dem Berufungsbeklagten das erforderliche prozessrechtliche Vehikel. Der (ehemalige) Berufungsbeklagte, der seine Anschlussberufung auf einen Wiederaufnahmegrund stützte, muss die Nichtigkeitsklage gem. § 579 ZPO oder aber die Restitutionsklage gem. § 580 ZPO erheben. Diese beiden Klagearten sind gem. § 586 Abs. 1 und 2 ZPO fristgebunden. Die Klagefrist beträgt einen Monat. Sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Kenntnis des Wiederaufnahmeklägers oder seines Prozessbevollmächtigten vom rechtskräftigen Urteil.[577]

[576] Vgl. BGH WM 1975, 736 für die Restitutionsklage gem. § 580 ZPO.
[577] B/L/A/H/Hartmann, § 586 ZPO Rn 5.

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