Rz. 799

Gerade das Recht der selbstständigen Leistungserbringung kennt Rahmenverträge, in denen die Vertragsparteien lediglich die grundsätzliche Ausgestaltung ihrer Geschäftsbeziehung regeln. Die konkrete Leistungserbringung, wie die Übersetzungen von Schriftstücken, regeln dann Einzelverträge. Der 9. Senat des BAG hat mehrfach Rahmenverträge als Verträge mit einem Selbstständigen gewertet (vgl. BAG v. 21.5. 2019 – 9 AZR 295/18, juris Rn 26; BAG v. 21.11.2017 – 9 AZR 117/17, juris; BAG v. 17.10.2017 – 9 AZR 792/16, juris; BAG v. 27.6.2017 – 9 AZR 851/16, juris). Für die rechtliche Einordnung sei ausschlaggebend, ob der Rahmenvertrag der einen Partei das Recht zubilligt, frei über die Annahme der künftigen Einzelverträge zu entscheiden, oder ob einer Partei ein Weisungsrecht zustehen soll, infolgedessen sie die zu erbringende Leistung einseitig und für die andere Partei verbindlich festzulegen berechtigt ist (vgl. BAG v. 21.5. 2019 – 9 AZR 295/18, juris Rn 26 Honorarvertrag Übersetzer). Stellt sich heraus, dass die Behörde dem Übersetzer die einzelnen Übersetzungsaufträge einseitig "zuwies", ohne dem Kläger ein gleichberechtigtes Mitspracherecht einzuräumen, spricht dies für ein Weisungsrecht und damit für die Annahme des Arbeitsvertrags. Sollte die Beklagte dem Kläger die einzelnen Übersetzungsaufträge lediglich "angeboten" haben, ohne das Recht für sich in Anspruch zu nehmen, diesbezüglich einseitige Anordnung zu treffen, indiziert dies, dass die Parteien ein freier Dienstvertrag verband (vgl. BAG v. 21.5.2019 – 9 AZR 295/18, juris Rn 29).

 

Rz. 800

Freie Mitarbeiter, die jahrelang aufgrund von "Honorarverträgen" für denselben Arbeitgeber, wenngleich auch aufgrund von zahlreichen sich aneinanderreihenden Verträgen, tätig sind und in den Betrieb des Arbeitgebers ansonsten voll eingegliedert sind, werden vielfach trotz anderer Bezeichnung als Arbeitnehmer anzusehen sein. Ein Arbeitsverhältnis ist typischerweise ein Dauerschuldverhältnis. Gleichwohl muss auch beim Bestehen eines langjährigen Dauerrechtsverhältnisses stets im Einzelfall geprüft werden, ob es sich um ein Arbeits- oder ein freies Dienstverhältnis handelt. Die Tatsache, dass die Parteien über lange Zeit in einem Dauerrechtsverhältnis zusammenarbeiten, hat für sich genommen noch keinen arbeitsrechtlichen Indizwert (vgl. BAG v. 13.5.1992 – 5 AZR 434/91, n.v.; BAG v. 27.3.1991 – 5 AZR 194/90, BB 1991, 1414 = NZA 1991, 933; LAG Hamburg v. 15.11.1995 – 5 Ta 23/95, n.v.). Ob die Parteien einen unbefristeten Arbeitsvertrag oder eine Rahmenvereinbarung sowie in deren Anwendung einzelne, jeweils befristete Arbeitsverträge geschlossen haben, richtet sich zunächst nach dem Parteiwillen. Rahmenverträge sind grundsätzlich anerkannt (vgl. BAG v. 15.2.2012 – 10 AZR 111/11). Die Vertragsbezeichnung "Rahmenvertrag als Freier Mitarbeiter über die selbstständige Betreuung von Veranstaltungen" steht einer Einordnung des Vertrags als Arbeitsverhältnis nicht entgegen (vgl. BAG v. 1.12.2020 – 9 AZR 102/20, juris Rn 42 Crowdworker; BAG v. 15.2.2012 – 10 AZR 111/11). Entscheidend ist die rechtliche Würdigung. Dabei ist auch eine Abgrenzung zur Arbeit auf Abruf gem. § 12 TzBfG vorzunehmen.

 

Rz. 801

Die Arbeitsvertragsparteien sind grundsätzlich nicht gezwungen, statt der Kombination von Rahmenvereinbarung und Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis zu begründen (vgl. BAG v. 31.7.2002 – 7 AZR 181/01 bereits zu § 4 BeschFG, heute § 12 TzBfG). Hat sich in der Rahmenvereinbarung die eine Partei weder zu Dienstleistungen verpflichtet noch der anderen Partei das Recht zu einem Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB eingeräumt, konkrete Leistungspflichten herbeiführen zu können, wie Beschäftigungsangebote annehmen zu müssen, liegt (noch) kein Arbeitsvertrag vor. Denn ein Vertrag, der keine Verpflichtung zur Dienstleistung begründet, ist kein Dienstvertrag und damit auch kein Arbeitsvertrag (vgl. Hessisches LAG v. 15.3.2018 – 9 Sa 1399/16 Rahmenvertrag als Bundesliga-Schiedsrichter; BAG v. 15.2.2012 – 10 AZR 111/11 Rahmenvertrag als Freier Mitarbeiter zur Betreuung von Veranstaltungen; BAG v. 16.4.2003, DB 2003, 2391 = NZA 2004, 40; grundlegend BAG v. 31.7.2002, DB 2003, 96 = BB 2003, 521; vgl. ferner BSG v. 11.3.2009, NZS 2010, 150 = SGb 2010, 217; siehe auch zur Arbeit auf Abruf aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht, LSG Baden-Württemberg v. 24.2.2015 – L 11 R 5165/13 sowie unten Rdn 898)

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