Rz. 911

Die nachfolgende Checkliste zeigt, welche Merkmale, die z.T. anhand äußerer Tatbestände leicht festzustellen und zu beweisen sind, für und gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass i.R.d. vorzunehmenden Gesamtwürdigung dem Vorliegen oder dem Nichtvorliegen eines der genannten Merkmale nicht das gleiche Gewicht zukommen muss und nicht alle Merkmale, die für Selbstständigkeit sprechen, vorliegen müssen.

 

Rz. 912

Checkliste Sozialversicherungsrecht: Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit

Tätigkeit für eine unbestimmte Anzahl von Auftraggebern;
Einkünfte von verschiedenen Auftraggebern, (möglichst) weniger als 5/6 der Einkünfte aus der Tätigkeit für einen Auftraggeber (wenn nein, möglicherweise sog. selbstständiger Tätiger mit einem Auftraggeber/arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger i.S.v. § 2 Nr. 9 SGB VI, s.u. Rdn 947 ff.);
keine Ausschließlichkeitsbindung an einen Auftraggeber oder an mehrere Auftraggeber, die unter einheitlicher Leitung i.S.v. § 18 AktG, insb. Konzernverbund, stehen oder Kooperationspartner sind, Möglichkeit des Wechsels des Auftraggebers;
Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Mitarbeiters (nicht dazu zählen 520-EUR-Beschäftigungsverhältnisse) (wenn nein, möglicherweise sog. selbstständiger Tätiger mit einem Auftraggeber/arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger i.S.v. § 2 Nr. 9 SGB VI, s.u. Rdn 947 ff.);
ggf. Gewerbeanmeldung, soweit rechtlich erforderlich;
ggf. Zahlung von Gewerbesteuer, soweit gewerbesteuerpflichtig;
ggf. Handelsregisteranmeldung, soweit rechtlich erforderlich;
Beantragung einer eigenen Betriebsnummer bei Arbeitsagentur zur Beschäftigung von Arbeitnehmern – wenn auch nicht sofort, so doch eventuell später bei Bedarf;

eigene Geschäfts-/Betriebs-/Büroeröffnung, u.a. mit

eigenen Geschäfts- bzw. Büroräumen,
eigenem Türschild,
eigenen Visitenkarten, nicht fremden oder projektbezogen Visitenkarten, vgl. u.a. LAG Hamm, 14.5.2012 – 2 Ta 668/11; LSG Hessen, 17.12.2009 – L 8 KR 130/07,
eigenem Telefonbucheintrag, eigenem Handy-/Mobilanschluss,
eigener (Firmen-) E-Mail-Adresse,
eigener Homepage,
eigener Entscheidung über Beschaffung wesentlicher Arbeitsmittel,
Tragung von sämtlichen Betriebskosten wie Miete, Strom, Wasser, Telefon, Büromaterial, Porto, Reinigung der Büroräume etc.,
Betriebskonto, keine Vermengung mit privaten Kontenbewegungen;
(weitestgehend) freie Verfügungsmöglichkeit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht über die eigene Arbeitskraft ("ob und wie");
keine Vereinbarung einer regelmäßigen Arbeits- oder Anwesenheitszeit und damit keine Führung eines Anwesenheitsnachweises;
kein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall;
rechtliche Möglichkeit, sich im Krankheitsfall durch eine Ersatzkraft vertreten zu lassen;
Möglichkeit, bei (länger andauernder) Erkrankung nicht erledigte Aufträge an den Auftraggeber zurückzugeben – soweit wirtschaftlich opportun;
keine Pflicht, sich bei einem der Auftraggeber "krank zu melden";
kein Anspruch auf bezahlten Urlaub;
Arbeit (überwiegend) in eigenen Büroräumen – je nach Art der Tätigkeit, jedenfalls nicht in den Büroräumen eines Auftraggebers;
Weisungsfreiheit hinsichtlich Ort, Zeit, Dauer und Inhalt der Tätigkeit; keine Bindung an feste Arbeitszeiten/Kernzeiten/Arbeitszeiterfassung mit eigenem Zeitkonto, keine ständige Dienst-/Abrufbereitschaft, Einteilung in Dienstpläne oder "erwartete" Anwesenheit während der üblichen Bürostunden;
Mittelpunkt eines eigenen Betriebes mit selbstständiger Betriebsorganisation; keine fremdbestimmte Tätigkeit als dienendes Glied einer fremden Betriebsorganisation mit persönlicher Arbeitspflicht; insb. nicht identische Tätigkeit wie andere Arbeitnehmer desselben Auftraggebers;
Kontrolle des Arbeitserfolges z.B. durch Abnahme nach Werkvertragsrecht, § 640 BGB; keine Abgabe von Tätigkeitsberichten;
Recht, Hilfskräfte zu beschäftigen und sich bei der Ausübung der Tätigkeit von Dritten vertreten zu lassen, sowie die tatsächliche Beschäftigung von Hilfskräften und Mitarbeitern;
eigene Akquisitionsmaßnahmen, Werbung;
keine Verpflichtung zur Benutzung bestimmter Arbeitsmittel (Dienstkleidung/Firmenfahrzeug), es sei denn im Rahmen eines rechtlich zulässigen Franchisevertrages;
eigene Entscheidung über Beschaffung wesentlicher Arbeitsmittel und/oder Arbeitsmaterialien und eigene Kostentragung dafür;
Einsatz eigenen Kapitals, ggf. Erhalt von Förderungsmitteln für Existenzgründer; kein Erhalt von Finanzierungshilfen durch einen der Auftraggeber;
Möglichkeit und Recht, angetragene Aufträge abzulehnen;
freie Kalkulation; Auftragserhalt aufgrund eines Angebotes, Ausschreibung, eigene Preisgestaltung, Wettbewerbssituation;
Bestehen und Tragung eines eigenen Unternehmerrisikos mit vollen unternehmerischen Chancen, Ungewissheit hinsichtlich des Erfolges der eingesetzten Arbeitskraft; kritisch ggf. bei Bezahlung nach Stunden/Tagessätzen weil erfolgsunabhängige Vergütun...

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