Rz. 600

Der Vorstand der AG kann gem. § 76 Abs. 2 S. 1 AktG aus einer oder mehreren Personen bestehen. In Vorständen von börsennotierten Unternehmen (1. Kriterium) mit mehr als drei Mitgliedern, d.h. bei einem mindestens vierköpfigen Vorstand (2. Kriterium), für die das MitbestG, das MontanmitbestG oder das MitbestErgG (3. Kriterium) gilt, muss gem. des neuen § 76 Abs. 3a S. 1 AktG mindestens eine Frau und mindestens ein Mann Mitglied des Vorstands sein (vgl. Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst – 2. Führungspositionen-Gesetz – FüPoG II vom 7.8.2021, BGBl. I, 3311). Die Bestellung eines Vorstandsmitglieds unter Verstoß gegen dieses Beteiligungsgebot (Mindestbeteiligungsgebot/Vorstandsquote, vgl. Kocher, DB 2022, 104) ist gem. § 76 Abs. 3a S. 2 AktG nichtig. Ferner wurde in § 111 Abs. 5 S. 3 u. 4 AktG eingefügt, dass der Aufsichtsrat von Unternehmen, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, ausführlich begründen muss, wenn er die Zielgröße Null für den Frauenanteil im Vorstand festlegt (vgl. ferner zur Zielgröße unterhalb der Vorstandsebene Rdn 610). Für Aktiengesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes gilt § 76 Abs. 3a AktG unabhängig von einer Börsennotierung und einer Geltung des MitbestimmungsG, des Montan-MitbestimmungsG oder des MitbestimmungsergG, wenn der Vorstand aus mehr als zwei Personen besteht (vgl. § 393a Abs. 2 Nr. 1 AktG). Dies bedeutet, dass bei Bundesunternehmen schon bei Vorständen mit mehr als zwei Mitgliedern mindestens eins davon eine Frau sein muss.

 

Rz. 601

Die Zusammensetzung des Vorstandes muss in der Satzung festgelegt sein. Gem. § 23 Abs. 3 Nr. 6 AktG ist in der Satzung die Zahl der Vorstandsmitglieder oder die Regeln, nach denen diese Zahl festgelegt wird, anzugeben. Dabei besteht ein weiter Gestaltungsspielraum. Anhaltspunkt ist das Grundkapital der AG. Grds. kann gem. § 76 Abs. 2 S. 1 AktG der Vorstand aus einer oder mehreren Personen bestehen. Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als 3 Mio. EUR hat er aus mindestens zwei Personen zu bestehen, es sei denn, die Satzung bestimmt, dass er aus einer Person besteht (§ 76 Abs. 2 S. 2 AktG). Dabei bleiben die Vorschriften gem. § 76 Abs. 2 S. 3 AktG über die Bestellung eines Arbeitsdirektors unberührt. Daraus folgt, dass im Anwendungsbereich des MitbestG und des Montan-MitbestG dem Vorstand ein Arbeitsdirektor angehören muss (§§ 33 MitbestG, 13 Montan-MitbestG, 13 Montan-MitbestErgG). Daher besteht der Vorstand in diesen Fällen aus mindestens zwei Vorstandsmitgliedern (vgl. Arnold/Romero/Hofer, ZIP 2021, 2605, 2607; a.A.: Henssler, in: Habersack/Henssler, MitbestG, § 33 MitbestG Rn 2 f.). Dies gilt auch dann, wenn die Satzung – insoweit unzulässig – bestimmt, dass der Vorstand nur aus einer Person besteht oder wenn die Satzung keine Regelung bzgl. der Bestellung des Arbeitsdirektors enthält. Das Aufgabengebiet des Arbeitsdirektors bezieht sich auf das Personal- und Sozialwesen. Der Arbeitsdirektor ist gleichberechtigtes Mitglied des Vorstands (Kollegialprinzip). Die deutsche Mitbestimmung verstößt nicht gegen Europarecht (vgl. EuGH v. 18.7.2017 – C-566/15).

 

Rz. 602

Sollten versehentlich mehr Vorstandsmitglieder als satzungsmäßig zugelassen bestellt worden sein (Überbesetzung), zieht dies nicht die Nichtigkeit der Bestellung einzelner Vorstandsmitglieder nach sich. Unter Umständen kann sich aber die Pflicht zur Abberufung der überzähligen Vorstandsmitglieder aus wichtigem Grund ergeben, wobei im Gesamtinteresse eine Abwägung geboten sein kann, ob und wann dies zu erfolgen hat, wenn eine gleichzeitige außerordentliche Kündigung des Vorstandsvertrages nicht möglich ist (vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, § 76 AktG Rn 127).

 

Rz. 603

Bei einem mehrköpfigen Vorstand kann der Gesamtaufsichtsrat ein Mitglied des Vorstandes zum Vorstandsvorsitzenden gem. § 84 Abs. 2 AktG ernennen. Eine Übertragung dieser Kompetenz auf einen Ausschuss wäre gem. § 107 Abs. 3 S. 7 AktG unwirksam, ebenso wenig können weder die Hauptversammlung noch der Vorstand selbst einen Vorstandsvorsitzenden ernennen (vgl. Schmidt/Lutter/Seibt, § 84 Rn 39 m.w.N.). Ferner ist es möglich, einen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden zu ernennen, der für den Fall der Verhinderung des Vorsitzenden dessen Vertretung übernimmt. Der Vorsitzende des Vorstandes ist auf allen Geschäftsbriefen gem. § 80 Abs. 1 S. 2 AktG als solcher namentlich zu bezeichnen. Die Rechtsstellung des Vorsitzenden ist im AktG nicht festgelegt. Regelmäßig repräsentiert der Vorstandsvorsitzende den Vorstand als Kollegialorgan, ist Sitzungsleiter und Koordinator des Vorstandsgremiums (vgl. Spindler/Stilz/Fleischer, § 84 AktG Rn 98; Ziemons/Binnewies/Ziemons, Handbuch AG, Rn 8.56 ff.). Zunehmend ist zu beobachten, dass der Vorstandsvorsitzende, der bisher eher als Primus inter pares agierte, immer mehr die Rolle eine CEO und Chairman nach amerikanischem Vorbi...

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