Rz. 822

Vielfach beginnen Streitigkeiten über die Arbeitnehmereigenschaft damit, dass der vermeintliche oder echte Freie Mitarbeiter Feststellungsklage erhebt, dass zwischen den Parteien ab einem bestimmten Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis bestehe, welches nicht durch Kündigung oder Befristung beendet sei, und das beklagte Unternehmen (Hilfs-/Eventual-) Widerklage mit Rückforderungsansprüchen wegen Überzahlungen in der Vergangenheit für den Fall des Obsiegens des Klägers erhebt.

 

Rz. 823

Für Arbeitgeberansprüche wegen Überzahlung in der Vergangenheit hatte das BAG ursprünglich in seiner Entscheidung v. 9.7.1986 (vgl. BAG v. 9.7.1986, DB 1986, 2676 = AP Nr. 7 zu § 242 BGB Geschäftsgrundlage m. Anm. Mayer-Maly) für den Fall, dass sich die Parteien in einem beiderseitigen Rechtsirrtum über den Freien-Mitarbeiter-Vertrag befunden haben, entschieden, dass grds. eine Rückabwicklung nicht in Betracht komme. Die Rückforderung überzahlter Vergütung durch den Arbeitgeber nach Bereicherungsrecht sei in diesem Fall nicht möglich (vgl. auch LAG Nds. v. 21.2.1995 – 6 Sa 810/94, n.v., wonach eine Rückforderung von Honorarzahlungen und Ersatz des Arbeitnehmeranteils zur Sozialversicherung bei nicht schuldhaft unterbliebenem Beitragsabzug nicht in Betracht komme; a.A. LAG Köln v. 10.9.1998 – 5 Sa 834/98, n.v., wonach Bereicherungsansprüche dem Grunde nach möglich sein sollen; zust. Hochrathner, NZA 1999, 1016, 1018 f.; differenzierend Hohmeister, NZA 1999, 1009, 1011 ff.). In dem Fall des BAG ging es um einen Anspruch eines Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Zahlung der Differenz der zwischen der unter der Annahme eines Freien-Mitarbeiter-Verhältnisses gezahlten Vergütung und derjenigen Vergütung, die aufgrund eines Arbeitsverhältnisses zu zahlen gewesen wäre. Andererseits hatte das BAG angedeutet, dass im Einzelfall Veranlassung bestehen könnte, ausnahmsweise von dem Grundsatz der nur zukünftigen Vertragsänderung und -anpassung abzuweichen. Dies könne bspw. sein, wenn das Vertragsverhältnis noch bestehe und die Anpassung an veränderte Verhältnisse zwangsläufig auch in die Vergangenheit zurückwirkt (vgl. BAG v. 9.7.1986, DB 1986, 2676).

 

Rz. 824

Inzwischen entspricht es der gefestigten Rspr. des 5. Senats des BAG, dass ein Arbeitgeber die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen kann, wenn der Arbeitnehmerstatus eines freien Mitarbeiters rückwirkend festgestellt wird (vgl. BAG v. 26.6.2019 – 5 AZR 178/18, juris; ebenso LAG Schleswig-Holstein v. 16.1.2020 – 5 Sa 150/19, juris). Denn stellt sich ein vermeintlich freies Dienstverhältnis im Nachhinein als Arbeitsverhältnis dar, kann in der Regel nicht davon ausgegangen werden, die für freie Mitarbeit vereinbarte Vergütung sei der Höhe nach auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer verabredet (vgl. BAG v. 26.6.2019 – 5 AZR 178/18, juris Ls.). Mit der Feststellung stehe zugleich fest, dass der Dienstverpflichtete als Arbeitnehmer mit der für Arbeitnehmer üblichen Bruttoarbeitsvergütung gem. § 612 BGB zu vergüten war und ein Rechtsgrund für die Honorarzahlungen nicht bestand, wenn unterschiedliche Vergütungsordnungen für freie Mitarbeiter und Arbeitnehmer bestanden, insb. die im Arbeitsverhältnis geschuldete Vergütung niedriger ist als das für das freie Dienstverhältnis vereinbarte Honorar (vgl. BAG v. 26.6.2019 – 5 AZR 178/18, juris Rn 38). Der Rückzahlungsanspruch folgt aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB (vgl. BAG v. 26.6.2019 – 5 AZR 178/18, juris Rn 15; vgl. BAG v. 9.2.2005 – 5 AZR 175/04, juris zu III 1 a der Gründe; BAG v. 29.5.2002 – 5 AZR 689/00, juris zu I 1 a der Gründe).

 

Rz. 825

Mit Urt. v. 14.3.2001 hatte zuvor der 4. Senat des BAG ebenfalls festgehalten: Die rückwirkende Feststellung eines Arbeitsverhältnisses führe dazu, dass anstelle von Honorar nur Arbeitsentgelt geschuldet sei. Die Zahlung des Honorars habe dann einen bereicherungsrechtlichen Anspruch des Arbeitgebers gem. § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 3 BGB wegen Überzahlungen, soweit die dem Arbeitnehmer zustehenden Entgeltansprüche geringer sind als die ihm gezahlten Honorare (BAG v. 14.3.2001 – 4 AZR 152/00, V 2 der Gründe, NZA 2002, 155 = DB 2002, 326). Zuständig sind die Arbeitsgerichte. Ist streitig, ob der zur Dienstleistung Verpflichtete als selbstständiger Handelsvertreter oder als unselbstständiger Angestellter tätig geworden ist, und damit, ob eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte oder der ordentlichen Gerichte eröffnet ist, ist das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und der tatsächlichen Handhabung entscheidend (vgl. OLG München v. 20.3.2014 – 7 W 315/14).

 

Rz. 826

Die Höhe des Rückforderungsanspruches umfasst nicht sämtliche geleisteten Honorarzahlungen, sondern (nur) die Summendifferenz zwischen sämtlichen Honorarteilen und sämtlichen Vergütungsansprüchen; i.Ü. ist der Arbeitnehmer nicht ohne Rechtsgrund bereichert (vgl. BAG v. 26.6.2019 – 5 AZR 178/18, juris Rn 15; BAG v. 9.2.2005 – 5 AZR 175/04, NZA 2005, 814). In die vorzunehmende Berechnung ist auch ein etwaiger tariflicher Abfindungsanspruch einz...

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