(1) Erfordernis des wichtigen Grundes

(a) Außerordentliche Kündigung durch die GmbH – prozessuale Reaktionsmöglichkeiten des Geschäftsführers/Einklagen der schriftlichen Begründung des Kündigungsgrundes/Geltendmachung von Annahmeverzugslohn im Urkundsprozess durch den Geschäftsführer u.a.

 

Rz. 275

Die außerordentliche, meist fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB, ist nur zulässig, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile (vgl. zu dem Abwägungsprozess grundlegend BGH v. 9.11.1992 – II ZR 234/91, DB 1993, 218 = WM 1992, 2142, 2143 f.) die Fortsetzung des Geschäftsführerverhältnisses bis zu dem ordentlichen Ablauf, sei es durch Kündigung oder Befristung, nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG v. 9.6.2011 – 2 AZR 381/10, juris; BAG v. 27.11.2008 – 2 AZR 193/07, NZA 2009, 671 = DB 2009, 1191 Entsandter Konzerngeschäftsführer; BGH v. 23.10.2006 – II ZR 298/05, DB 2007, 158 = BB 2007, 174 Vorstand; BGH v. 19.10.1987, DB 1988, 225 = GmbHR 1988, 100 Geschäftsführer; OLG Jena v. 12.8.2009 – 7 U 244/07, GmbHR 2010, 483 Geschäftsführer).

(b) Verschulden und Abmahnung

 

Rz. 276

Eines Verschuldens des Geschäftsführers im Fall der Kündigung durch die GmbH bedarf es nicht (vgl. BGH v. 21.4.1975, WM 1975, 761). Auch eine Abmahnung ist nicht geboten; dies entspricht der gefestigten Rspr. des 2. Zivilsenates, die entscheidend darauf abstellt, dass der organschaftliche Vertreter Arbeitgeberfunktion wahrnimmt. § 314 Abs. 2 BGB gäbe keinen Anlass hiervon abzuweichen, da die genannte Funktionszuweisung ein besonderer Umstand i.S.v. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist, auf den § 314 Abs. 2 S. 2 BGB verweist (vgl. BGH v. 2.7.2007 – II ZR 71/06, GmbHR 2007, 936 = NJW-RR 2007, 1520; BGH v. 10.9.2001, DB 2001, 2438; BGH v. 14.2.2000, DB 2000, 964 = NZA 2000, 543).

(c) Wichtiger Abberufungsgrund

 

Rz. 277

Das Vorliegen eines wichtigen Abberufungsgrundes bedeutet nicht, dass dieser ohne weiteres die außerordentliche Kündigung rechtfertigt (h.M., vgl. Rowedder/Pentz/Belz, GmbHG, § 38 Rn 81 m.w.N.). Problematisch ist daher die Verknüpfung (zu Koppelungsklauseln, s. oben Rdn 258 ff. sowie unten Rdn 280) zwischen Abberufung aus wichtigem Grund und der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund im Geschäftsführervertrag. Denn der Begriff des wichtigen Grundes zur sofortigen Beendigung des Geschäftsführervertrages unterliegt nur eingeschränkt der vertraglichen Disposition. Dies bedeutet, dass durch eine vertragliche Vereinbarung kein absoluter Gleichklang zwischen dem wichtigen Grund für die Abberufung und dem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung erreicht werden kann. Die Anforderungen an den wichtigen Grund i.S.d. § 626 BGB sind schärfer. Ein vertraglicher Ausschluss objektiv wichtiger Kündigungsgründe wäre unzulässig (vgl. BGH v. 16.1.1995 – II ZR 26/94, DB 1995, 621 = GmbHR 1995, 301).

(d) Unzulässige Abfindungsvereinbarung für a.o. Kündigung

 

Rz. 278

Eine unzulässige Einschränkung des außerordentlichen Kündigungsrechtes i.S.d. § 626 BGB stellt auch die Vereinbarung einer Abfindung für den Fall der Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages aus wichtigem Grund dar; diese ist wegen Verstoßes gegen § 134 BGB nichtig (vgl. BGH v. 3.7.2000 – II ZR 282/98, NZA 2000, 945 = DB 2000, 1807).

(e) Wichtiger Grund und Koppelungsklausel

 

Rz. 279

Soweit Sachverhalte als wichtige Gründe i.S.d. § 626 BGB vereinbart werden, die objektiv nicht den Anforderungen des § 626 BGB im Geschäftsführervertrag genügen, ist die Kündigung aus wichtigem Grund nur unter Wahrung der ordentlichen Kündigungsfrist möglich (vgl. BGH v. 11.5.1981 – II ZR 126/80, DB 1981, 1661 = NJW 1981, 2748). Nach OLG München ist die Vereinbarung im Anstellungsvertrag, wonach der Widerruf der Bestellung als wichtiger Kündigungsgrund gilt (Koppelungsklausel, s. im einzelnen oben Rdn 258 ff.), nur insoweit von Bedeutung, als eine Kündigung unter Wahrung der gesetzlichen Mindestfrist (§ 622 BGB) möglich ist, wenn der Geschäftsführer an der Gesellschaft nicht unwesentlich beteiligt ist und seinen Lebensunterhalt wesentlich aus der Dienstleistung für die Gesellschaft bezieht (vgl. OLG München v. 8.6.1994 – 7 U 4606/93, DB 1994, 1972; vgl. auch die Rspr. des BGH zur Kündigungsfrist des § 622 BGB bei der Vereinbarung der Abberufung des Vorstandes als wichtigem Grund zur Kündigung des Dienstvertrages, BGH v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, DB 1989, 1865 = GmbHR 1989, 415 sowie oben Rdn 264 die Entscheidung des KG v. 8.7.1994 – 14 U 7427/92).

(f) Beispiele für wichtige Kündigungsgründe

 

Rz. 280

Wenngleich vielfach (vermeintlicher oder wirklicher) geschäftlicher Misserfolg des Geschäftsführers der Auslöser für eine außerordentliche Kündigung ist, ist dies kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB (vgl. Bosse, Checklisten Handbuch GmbH-Geschäftsführer, S. 48 sowie die nachfolgenden Fallbeispiele):

 

Beispiele für anerkannte wichtige Kündigungsgründe (bei Kündigung durch die GmbH)

Mindestens grob fahrlässige Verbreitung einer unwahren Tatsache durch Herstellung eines unzutreffenden Zusammenhangs zwischen einem geforderten Lizenzspieler-Gehaltsverzicht und den Gehaltszahlungen für einen neuen Geschäftsführer Sport in der Covid19-Pandemie (vgl. LG Paderborn v. 10.3.2021 – 4 O 400/20, juris),
Weigerung eines Geschäftsführers, Gesellschafteranweisungen nachzukommen (vgl. BGH v. 20.8. 2019 – II ZR 121/16, juris Rn 35 ff.),
unzulässige Beschlussfassung des Gesellschaftergeschäftsführers zur sofortigen Abberufu...

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