Rz. 100

Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Von einer Unangemessenheit kann insb. ausgegangen werden, wenn rechtlich anerkennenswerte Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt werden, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers ausgeglichen werden (vgl. BAG v. 19.11.2019 – 7 AZR 582/17, NZA 2020, 374). Wie bislang unterliegen Klauseln, welche lediglich den Gesetzeswortlaut wiederholen (sog. deklaratorische Klauseln), aber auch Leistungsbeschreibungen nicht der Inhaltskontrolle (BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40; vgl. auch Lingemann, NZA 2002, 181, 188 m.w.N.; ausführlich auch Gotthardt, ZIP 2002, 277, 282). In der Entscheidung des BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04 (NZA 2006, 40) geht der Senat davon aus, dass dies auch für Entgeltabreden gelte.

 

Rz. 101

In jüngster Zeit hatte sich die Rspr. immer wieder mit Klauseln zu befassen, die der Überprüfung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB häufig nicht standhielten. Zu den wesentlichen Entscheidungen folgende Hinweise:

 

Rz. 102

Versetzungsklausel (vgl. BAG v. 19.1.2011 – 10 AZR 738/09)

Eine vorformulierte Klausel, nach welcher ein Arbeitgeber eine andere als die vertraglich vereinbarte Tätigkeit einem Arbeitnehmer "falls erforderlich" und nach "Abstimmung der beiderseitigen Interessen" einseitig zuweisen kann, ist jedenfalls dann als unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB anzusehen, wenn nicht gewährleistet ist, dass die Zuweisung eine mindestens gleichwertige Tätigkeit zum Gegenstand haben muss.

Ergibt die Auslegung einer Versetzungsregelung, dass die Klausel inhaltlich der Regelung des § 106 GewO entspricht, erfolgt keine Angemessenheitskontrolle gem. § 307 Abs. 1 BGB. Die vertragliche Regelung muss aber die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 GewO erkennen lassen (vgl. BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355).

 

Rz. 103

Altersgrenze (vgl. BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, NZA 2006, 37, 38)

Eine einzelvertragliche Altersgrenze, nach der das Arbeitsverhältnis mit Erreichen des gesetzlichen Rentenalters endet, ist wirksam, wenn der Arbeitnehmer nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer eine gesetzliche Altersrente erwerben kann oder bereits erworben hat. Eine Altersgrenze in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag, nach der das Arbeitsverhältnis mit der Vollendung des 65. Lebensjahres des Arbeitnehmers enden soll, ist nach der Anhebung des Regelrentenalters regelmäßig dahin auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis erst mit der Vollendung des für den Bezug einer Regelaltersrente maßgeblichen Lebensalters enden soll (vgl. BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14). Auch in Betriebsvereinbarungen kann eine Altersgrenze vereinbart werden (vgl. BAG v. 13.10.2015 – 1 AZR 853/13).

 

Rz. 104

Anrechnungsvorbehalt (vgl. BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746 – 749)

Wird in AGB eine Zulage unter dem Vorbehalt der Anrechnung auf Tariferhöhungen gewährt, ohne dass die Anrechnungsgründe näher bestimmt sind, führt dies nicht zur Unwirksamkeit nach § 308 Nr. 4 BGB. Eine solche Klausel verstößt auch nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (vgl. BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 540/05).

 

Rz. 105

Arbeit auf Abruf (vgl. BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423, 428)

§ 12 Abs. 1 S. 2 TzBfG erfordert die Festlegung einer Mindestdauer der wöchentlichen und der täglichen Arbeitszeit. Die Arbeitsvertragsparteien können wirksam vereinbaren, dass der Arbeitnehmer über die vertragliche Mindestarbeitszeit hinaus Arbeit auf Abruf leisten muss. Die bei einer Vereinbarung von Arbeit auf Abruf einseitig vom Arbeitgeber abrufbare Arbeit des Arbeitnehmers darf nicht mehr als 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit betragen.

 

Rz. 106

Klageverzicht ohne Gegenleistung im Aufhebungsvertrag (BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219–223)

Der ohne Gegenleistung erklärte, formularmäßige Verzicht des Arbeitnehmers auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage stellt eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Unwirksam ist auch eine Regelung, in der Arbeitnehmer einseitig auf Rechte verzichten, ohne dass eine Gegenleistung gewährt wird (vgl. BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338). Auch das Inaussichtstellen eines näher bestimmten Zeugnisses mit überdurchschnittlicher Leistungs- und Verhaltensbewertung stellt kein angemessenes Äquivalent zum Klageverzicht dar (vgl. BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14).

 

Rz. 107

Ausschlussfrist (BAG v 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149; BAG v. 28.11.2007, NZA 2008, 293 – 295)

Eine einzelvertragliche Ausschlussfrist in AGB, welche die gerichtliche Geltendmachung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältni...

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