Rz. 96

Gem. § 305b BGB haben individuelle Vereinbarungen Vorrang vor AGB. Von einer individuellen Vereinbarung kann aber nur gesprochen werden, wenn der Arbeitgeber den gesetzesfremden Kern der Klausel ernsthaft zur Disposition des Arbeitnehmers gestellt und diesem die Möglichkeit eingeräumt hat, den Inhalt der Klausel zu beeinflussen (BAG, 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40, 44). Daraus folgt, dass es bei echt ausgehandelten Einzelabreden auch im Arbeitsrecht, die allerdings nicht den Regelfall darstellen, nicht mehr zu einer Inhaltskontrolle nach den Maßstäben der §§ 307 ff. BGB kommt. Die Beweislast für das Vorliegen einer Individualabrede hat die Partei, die daraus Rechte ableiten will. Ist streitig, ob eine Vereinbarung i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB ausgehandelt ist, trägt die Beweislast der Arbeitgeber als Verwender (vgl. Gotthardt, ZIP 2002, 277, 279; Lingemann, NZA 2002, 181, 185). Ein Aushandeln nur einzelner Vertragsbedingungen ändert allerdings nichts daran, dass die übrigen Vertragsbedingungen AGB bleiben, wie sich schon aus der Gesetzesformulierung "soweit" in § 305 Abs. 1 S. 3 BGB ergibt (vgl. BGH v. 6.3.1986, BGHZ 97, 215 = NJW 1986, 1803). Insgesamt individuell ausgehandelte Arbeitsverträge unterliegen also der AGB-Kontrolle nicht.

 

Rz. 97

Angesichts der in vielen Arbeitsverträgen enthaltenen Schriftformklauseln, wonach Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrags der Schriftform bedürfen, war für die Praxis hierbei insb. die Beantwortung der Frage wichtig, ob mündliche Individualvereinbarungen den AGB im schriftlichen Arbeitsvertrag vorgehen. Ggü. derartigen Schriftformklauseln hatte das BAG bereits bisher ohnehin schon eine abweichende mündliche Vereinbarung als beachtlich angesehen. Unklar ist nur, ob die Individualabrede im Arbeitsrecht nur Vorrang hat, wenn die Parteien ausdrücklich die Schriftformklausel außer Kraft setzen wollten (vgl. BAG v. 4.6.1963, AP Nr. 1 zu § 127 BGB) oder ob es ausreicht, dass sie das mündlich Vereinbarte als maßgeblich gewollt haben, auch ohne an die Schriftform zu denken (vgl. BAG v. 10.1.1989, AP Nr. 57 zu § 74 HGB). Die sog. "doppelte Schriftformklausel" als Formularklausel hat das BAG in seiner Entscheidung vom 20.5.2008 für unwirksam gehalten. Die Klausel, nach der Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages sowie der Verzicht auf das Schriftformerfordernis der Schriftform bedürfen, verstößt nach Ansicht des 9. Senats gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Entgegen der Schutzvorschrift des § 305b BGB erwecke sie beim Arbeitnehmer den Eindruck, auch eine mündliche individuelle Vertragsabrede sei wegen Nichteinhaltung der Schriftform gem. § 125 S. 2 BGB unwirksam (BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07; LAG Hamm v. 13.5.2016 – 16 Sa 1652/15). Die Wirksamkeit einer vertraglich vereinbarten Schriftform nach § 126 BGB scheitert nicht an § 309 Nr. 13 BGB, da diese Regelung für Erklärungen gilt, die der Rechtswahrnehmung (z.B. bei Ausschlussfristen) dienen.

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