Rz. 363

Der Testamentsvollstrecker hat nach § 2216 BGB nicht nur das Recht zur Verwaltung des Nachlasses, sondern auch die Pflicht zur Verwaltung. Durch diese Verpflichtung sollen die mit der Testamentsvollstreckung verbundenen Aufgaben gesichert werden. Im BGB findet sich keine Legaldefinition für den Begriff der Verwaltung. Aus den §§ 2205, 2206 BGB sowie §§ 2212 f. BGB lässt sich aber ableiten, dass Inbesitznahme, Verfügung, Eingehung von Verbindlichkeiten und die Prozessführung als einzelne Maßnahmen der Verwaltung zu qualifizieren sind.[452] Insgesamt fallen alle Maßnahmen rechtlicher und tatsächlicher Art, die der Erhaltung, Sicherung, Nutzung und Mehrung des jeweils verwalteten Gegenstandes oder Vermögens dienen, unter den Begriff der Verwaltungshandlung, ohne dass es auf die Ordnungsmäßigkeit ankommt.[453] § 2216 Abs. 1 BGB ist zwingendes Recht und die Grundlage des zwischen den Erben und dem Testamentsvollstrecker bestehenden Schuldverhältnisses sui generis.

 

Rz. 364

Nach § 2216 Abs. 1 BGB ist der Testamentsvollstrecker zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses verpflichtet. Die subjektiven Fähigkeiten des Testamentsvollstreckers sind irrelevant. Vielmehr bestimmen sich Inhalt und Pflicht zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung durch die einzelnen übertragenen Aufgaben und Verwaltungsanordnungen durch den Erblasser. Ferner sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Der Maßstab einer ordnungsgemäßen Verwaltung im Rahmen der Abwicklungsvollstreckung gem. § 2203 BGB ist ein anderer als der bei einer Verwaltungsvollstreckung nach § 2209 BGB, zumal bei einer regelmäßig längerfristigen Verwaltungsvollstreckung der Testamentsvollstrecker häufiger mit der Frage konfrontiert wird, wer in das Nachlassvermögen zu investieren hat, um die letztwillige Verfügung bzw. die Verwaltungsanordnung des Erblassers über Jahre und Jahrzehnte hinweg zu erfüllen. Im Einzelnen kommt es somit darauf an, was der Erblasser mit der Testamentsvollstreckung bezwecken wollte. Der Testamentsvollstrecker befindet sich somit häufig im Spannungsfeld zwischen Substanzerhaltung und Substanzvermehrung.

 

Rz. 365

An die Ordnungsmäßigkeit der Nachlassverwaltung sind strenge Anforderungen zu stellen, die durch das objektive Nachlassinteresse und die allgemeinen Regeln der Wirtschaftlichkeit konkretisiert werden. Der Testamentsvollstrecker ist zur besonderen Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt verpflichtet. Nach der Rspr.[454] hat der Testamentsvollstrecker gleichwohl umsichtig und solide, aber auch wie ein dynamischer Geschäftsführer zu handeln, der die Risiken und Chancen kalkuliert und dementsprechend handelt. Insgesamt soll alles vermieden werden, was für das Nachlassvermögen negative Auswirkungen hätte. Der Testamentsvollstrecker hat dabei im Rahmen seiner Eigenverantwortung einen angemessenen Ermessensspielraum, der ihm auch Raum für wirtschaftlich sinnvolle Eigeninitiativen lässt.[455] Nach richtiger Auffassung[456] endet der Ermessensspielraum spätestens, wenn mehr als 20 Prozent des vom Testamentsvollstrecker zu verwaltenden Vermögens verloren gegangen sind.

 

Rz. 366

Bei der Auswahl von Kapitalanlagen hat der Testamentsvollstrecker im Einzelnen folgende Aspekte zu berücksichtigen:[457]

die zu erwartende Rendite der Kapitalanlage,
ihr Risiko,
ihre Inflationsanfälligkeit,
etwaige mit ihr verbundene Kosten und Steuern,
ihre Liquidierbarkeit und Marktfähigkeit sowie
ihre Beziehungen zur allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung.
 

Rz. 367

Dabei ist der Testamentsvollstrecker auch zur Eingehung von wirtschaftlich kalkulierbaren Risiken berechtigt,[458] wobei die Risiken überschaubar bleiben müssen. Keinesfalls dürfen Risikogeschäfte durchgeführt werden, wobei der gesamte Nachlass in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Andererseits darf sich der Testamentsvollstrecker nicht mit einem mäßigen Erfolg begnügen, wenn die Möglichkeit zu einer besseren Ergebniserzielung besteht und nach seiner Veranlagung und seinen Kenntnissen er diese Möglichkeiten zu erkennen und zu verwirklichen weiß.[459] Ist der Testamentsvollstrecker überdurchschnittlich persönlich qualifiziert, bestimmt dies seine persönlichen Anforderungen hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung. Hingegen senkt eine unterdurchschnittliche persönliche Qualifizierung die Anforderungen nicht. Der Testamentsvollstrecker ist nach Maßgabe des § 2219 Abs. 1 BGB nur gegenüber dem Erben nebst Nacherben sowie dem Vermächtnisnehmer haftbar und somit diesen Personen gegenüber zur ordnungsgemäßen Verwaltung verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht nicht gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten, den Nachlassgläubigern oder -schuldnern.[460]

 

Rz. 368

Sofern der Erblasser sich für den Kauf bestimmter Wertpapiere entschlossen hatte, steht der Testamentsvollstrecker häufig vor der Frage, ob er nicht eine Vermögensumschichtung in günstigere Aktien machen oder gar die Aktien (teilweise) verkaufen muss. Auch wenn die Kurse von sog. "Blue Chips" fallen, muss nicht unbedingt ein Verkauf er...

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