Rz. 20

Der Teilzeitanspruch nach § 11 TVöD/TV-L besteht bereits nach dem Wortlaut nur dann, wenn dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange nicht entgegenstehen.

 

Rz. 21

Diese Formulierung schließt trotz der Verwendung des Wörtchens "soll" in § 11 Abs. 1 S. 1 TVöD/TV-L eine Abwägung unter den Interessen der Arbeitsvertragsparteien aus;[19] die dringenden Belange können nur entweder entgegenstehen oder eben nicht.[20]

 

Rz. 22

Dringende dienstliche oder betriebliche Belange sind mehr als "betriebliche Gründe", wie sie nach § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG genügen, um den allgemeinen Teilzeitanspruch eines Arbeitnehmers zurückzuweisen. Die Erschwerung für die Arbeitgeberseite ist beabsichtigt.[21] Sie wird sogar noch verschärft, seit das Bundesgleichstellungsgesetz anordnet, entsprechenden Teilzeitanträgen sei "zu entsprechen, soweit nicht zwingende dienstliche Belange entgegenstehen" (§ 16 Abs. 1 S. 1 BGleiG).[22] Dieser Begriff der zwingenden Gründe ist aus dem Bildungsurlaubsrecht bekannt. Die Messlatte dürfte noch deutlich höher liegen als bei den dringenden betrieblichen Gründen nach § 9 TzBfG. Immerhin wird man den Maßstab des § 9 TzBfG (vgl. § 18) zum Vergleich heranziehen können.

 

Rz. 23

Nach dem Wortlaut des § 11 TVöD/TV-L handelt es sich beim Fehlen entgegenstehender dienstlicher Belange um ein negatives Tatbestandsmerkmal, das also vollständig durch den anspruchsstellenden Angestellten darzulegen und zu beweisen wäre. Soll eine negative Tatsache nämlich rechtshindernd und damit vom Schuldner zu beweisen sein, so wird das vom Gesetzgeber i.d.R. durch die Formulierung "es sei denn, dass" oder "wenn nicht" zum Ausdruck gebracht.[23] In der entsprechenden Auslegung der tarifvertraglichen Norm spricht dies für den Willen der Tarifvertragsparteien, dem Angestellten auch die Beweislast für die negativen Anspruchsvoraussetzungen aufzuerlegen.[24] Ob dies gemeint und – angesichts der gesetzlichen Vorgaben in §§ 8, 22 Abs. 1 TzBfG – überhaupt zulässig wäre, kann indes wegen der bereits oben[25] zitierten Regelung in § 16 Abs. 1 BGleiG dahinstehen, die die Beweislast klar dem Arbeitgeber zuweist ("soweit nicht").

 

Rz. 24

Bei dem Nichtvorliegen dringender dienstlicher oder betrieblicher Belange handelt es sich also entgegen dem ersten Anschein nicht um ein vom Arbeitnehmer nachzuweisendes Tatbestandsmerkmal, sondern um eine Einwendung des Arbeitgebers. Deshalb obliegt allein dem Arbeitgeber die volle Vortrags- und Beweislast. Das geht über eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast deutlich hinaus, wie sie etwa aus der Rechtsprechung zu betriebsbedingten Kündigungen bekannt ist und nach der der Angestellte zunächst immerhin behaupten müsste, dass seinem Teilzeitwunsch keine dringenden dienstlichen bzw. betrieblichen Belange entgegenstehen. Soweit der Arbeitgeber dann seinerseits konkrete Tatsachen vortrüge, die der Arbeitszeitreduzierung entgegenstehend, müsste der Beschäftigte diesen konkreten Einwand des Arbeitgebers vollständig widerlegen.[26]

[20] Letztlich ebenso Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD § 11 Rn 29 ("kein Ermessen"), dort auch zu weiteren Einzelheiten. Siehe auch LAG Bremen v. 23.11.2000 – 4 Sa 123/00 – Rn 102, juris.
[21] Und zulässig, weil sie sich zugunsten des Arbeitnehmers auswirkt, was § 22 Abs. 1 TzBfG ohne Weiteres gestattet. Zur Absicht der Erschwerung siehe die Vorauflage unter § 14 Rn 29 f. m.w.N.
[25] Rdn 22.
[26] So Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD § 11 Rn 37; LAG Bremen v. 23.11.2000 – 4 Sa 123/00 – Rn 104, juris; etwas missverständlich die Vorauflage Rn 28. Wie hier etwa Groeger/Laber Teil 5 Rn 107 m.w.N., auch auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: BAG v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02, BAGE 105, 248; BAG v. 18.5.2004 – 9 AZR 319/03, NZA 2005, 118 (betr. die insoweit gleichlautenden AVR Caritas).

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