Rz. 48

Eines der wohl am meisten unterschätzten Probleme bei der Stiftungsarbeit ist das der Haftung von Organmitgliedern bei Stiftungen.[76] Es wird in der Praxis deshalb leider häufig auf die leichte Schulter genommen. Nach einer nicht näher begründeten Meinung aus der Wissenschaft soll die Haftung von Stiftungsorganmitgliedern in der Praxis so gut wie keine Rolle spielen. Fälle aus der Beratungspraxis zeigen das Gegenteil[77] – und das mit oftmals vor allem für ehrenamtlich tätige Stiftungsorganmitglieder "überraschenden" Folgen.

 

Rz. 49

Die Stiftung haftet gegenüber Dritten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch zwingend für jeden Schaden, den ein Stiftungsorgan, ein Organmitglied oder ein sonstiger für die Stiftung Mitwirkender in Ausführung der ihm übertragenen Aufgaben schuldhaft verursacht (Außenhaftung, § 84 Abs. 5 i.V.m. § 31 BGB). Grundsätzlich kann die Stiftung im Haftungsfall Rückgriff gegenüber den betreffenden Organmitgliedern nehmen (Innenhaftung). Um es einmal plastisch auszudrücken: "Es reicht nicht, Gutes zu tun, man muss es auch gut tun."

 

Rz. 50

Erfreulicherweise gibt es in diesem Zusammenhang inzwischen eine recht rege Diskussion zur Corporate Governance bei Stiftungen.[78] Zur Corporate Governance werden hier Fragen nach der Kontrolle der Stiftungsorgane,[79] nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Stiftungsverwaltung[80] oder nach den Grundsätzen guter Stiftungspraxis[81] gestellt.

 

Rz. 51

Mit der letzten Reform des Stiftungsrechts wurde zum Haftungsmaßstab der Stiftungsorganmitglieder in § 84a Abs. 2 S. 2 BGB eine der sog. "Business-Judgement-Rule" entsprechende Regelung ausdrücklich normiert.[82] Es handelt sich dabei, vereinfacht ausgedrückt, um einen möglichen Haftungsausschluss bei zwar im Nachhinein wirtschaftlich nachteiligen, aber mit einem gewissen Risiko vertretbaren Geschäftsführungsentscheidungen. Da dies bereits vorher allgemeinen haftungsrechtlichen Grundsätzen entsprach, dürften sich daraus in der Praxis keine grundlegenden Änderungen ergeben.[83] In Anlehnung an § 93 Abs. 1 S. 2 AktG liegt eine Pflichtverletzung nicht vor, "wenn das Mitglied des Organs bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln". Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung die Norm mit Blick auf die Besonderheiten des Stiftungsrechts künftig mit Leben füllen wird. Grundsätzlich wird man auch auf die reichhaltige Literatur und Rechtsprechung zu der aktienrechtlichen Parallelvorschrift zurückgreifen können.[84]

[76] Näher zum Thema: Schiffer/Pruns, in: Schiffer, § 5 Rn 1 ff.; NK-BGB/Schiffer/Pruns, § 81 (a.F.) Rn 48 ff., § 86 (a.F.) Rn 11 ff. m.w.N.; Fischer, in: Werner/Saenger/Fischer, § 20 Rn 57 ff.
[77] Siehe etwa OLG Oldenburg v. 8.11.2013 – 6 U 50/13, BB 2014, 724.
[78] Siehe etwa Saenger/Veltmann, ZSt 2005, 67; Schiffer, ZCG 2006, 143.
[79] Steuber, DStR 2006, 1182 ("Kontrolle oder Moral").
[80] Neuhoff, Stiftung & Sponsoring – Rote Seiten 02/2003 ("Versuch einer Stiftungsethik"); Deutsches Stiftungszentrum, Grundsätze guter Stiftungsverwaltung, 2009 (www.deutsches-stiftungszentrum.de).
[81] Bspw. Bundesverband Deutscher Stiftungen, "Grundsätze guter Stiftungspraxis", 2010 (www.stiftungen.org).
[82] Ausf. dazu Schiffer/Pruns/Schürmann, Die Reform des Stiftungsrechts, § 8 Rn 18 ff.
[83] So etwa auch Schauer/Stallmann, NWB-EV Sonderausgabe "Das neue Stiftungsrecht", S. 11.
[84] Hüttemann/Rawert, Beilage zu ZIP 33/2021, VI. 2.4; zum Aktienrecht etwa Hüffer/Koch, AktG, 16. Aufl. 2022, § 94 AktG Rn 20 ff.

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