Rz. 1

Während des Arbeitsverhältnisses ist ein Arbeitnehmer verpflichtet, jeden Wettbewerb zu dem Arbeitgeber zu unterlassen. Das in § 60 HGB geregelte Wettbewerbsverbot für Handlungsgehilfen enthält nach Ansicht des BAG einen allgemeinen Rechtsgedanken, der dem Arbeitsvertrag immanent ist und aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers resultiert.[1] Während der Arbeitnehmer während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht gehindert ist, eine Nebentätigkeit auszuüben, es sei denn, der Arbeitsvertrag verbietet ihm dies, ist eine Nebentätigkeit, die einen Wettbewerb bedeuten würde, auch ohne weitere Erwähnung im Arbeitsvertrag verboten. Dabei ist es unerheblich, ob Rechtsgrundlage dieses Wettbewerbsverbotes eine analoge Anwendung des § 60 HGB ist[2] oder eine auf § 242 BGB beruhende vertragliche Nebenpflicht.[3] Verstöße gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot können mit arbeitsrechtlichen Sanktionen von der Abmahnung bis hin zur außerordentlichen Kündigung geahndet werden. Ein Verstoß gegen das Verbot, während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten zu entfalten, ist "an sich" geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden.[4] Die Geltendmachung weiterer Ansprüche (Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz) unterliegt allerdings in analoger Anwendung des § 61 HGB einer kurzen Verjährungsfrist.[5]

Der Arbeitgeber muss keine zusätzliche Leistung zu der arbeitsvertraglich zugesagten Leistung erbringen (Karenzentschädigung), um den Arbeitnehmer an das Wettbewerbsverbot zu binden.

 

Rz. 2

Für die Zeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses existiert hingegen ohne weitere Regelung im Vertrag kein grundsätzliches Wettbewerbsverbot. Da die Verwertung der individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse typischerweise das Kapital des Arbeitnehmers ist, gibt es keinen Grund, den Arbeitnehmer auch jenseits des Arbeitsvertrages davon abzuhalten, dieses persönliche Kapital zu verwerten. Ist dem Arbeitgeber daran gelegen, den Arbeitnehmer auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses davon abzuhalten, in einen Wettbewerb zu treten, so muss ausdrücklich ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot im Arbeitsvertrag vereinbart werden.

 

Rz. 3

Die Arbeitsvertragsparteien sind nicht frei in den Inhalten der Regelung zu einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Ausgangspunkt hierzu ist, dass der Gesetzgeber für Handlungsgehilfen seit jeher erkannt hatte, dass das vertragliche Verbot, das individuelle, persönliche Kapital auch nach Ende des synallagmatischen Vertragsverhältnisses zu verwerten, einer Gegenleistung des Prinzipals bedarf. Auf diesem Gedanken basieren die §§ 74 ff. HGB. Das BAG wandte die §§ 74 ff. HGB im Wege der Rechtsfortbildung wegen der vergleichbaren Interessenlage bereits seit 1969 auch auf Arbeitsverhältnisse an.[6] Seit dem 1.1.2003 ist dies auch ausdrückliche Gesetzeslage: Der vormalig beschränkte Geltungsbereich der GewO wurde auf Arbeitsverhältnisse erweitert. Nach § 6 Abs. 2 GewO finden seitdem die Bestimmungen des Abschnitts 1 des Titels VII der GewO auch auf alle Arbeitnehmer Anwendung. Der somit auch einbezogene § 110 GewO bestimmt, dass im Falle der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes die §§ 74 bis 75 f. HGB entsprechende Anwendung finden. Der Gesetzgeber hat somit die bereits gefestigte Rechtsprechung bestätigt und die gesetzliche Grundlage für die entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. HGB geschaffen.

 

Rz. 4

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot im Sinne des § 110 GewO, §§ 74 ff. HGB ist jede Vereinbarung, die den Arbeitnehmer für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seiner beruflichen/gewerblichen Tätigkeit beschränkt. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist somit das rechtliche Ende des Arbeitsverhältnisses. Kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist daher eine Vereinbarung, nach der dem Arbeitnehmer auch während der Zeit einer vereinbarten Freistellung bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses ein Wettbewerb untersagt ist. Bei einer solchen Vereinbarung handelt es sich lediglich um die rein deklaratorische Wiedergabe des ohnehin existierenden vertraglichen Wettbewerbsverbotes.

 

Rz. 5

 

Praxishinweis

In Freistellungsvereinbarungen sollte auf entsprechende Klauseln verzichtet werden, um nicht den Anschein zu setzen, ein (auch nachvertragliches und daher Karenzentschädigungspflicht auslösendes) Wettbewerbsverbot vereinbart zu haben. Ein Hinweis auf das fortbestehende vertragliche Wettbewerbsverbot kann und sollte allerdings gerade bei längeren Freistellungen gegeben werden.

 

Rz. 6

Wettbewerbsverbote erschließen sich bisweilen nur aus der Auslegung der Vereinbarung. Ob eine konkrete Absprache, die geeignet ist, das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers zu erschweren, als Wettbewerbsverbot im Sinne der §§ 74 ff. HGB auszulegen ist, bestimmt sich nach dem Schutzzweck der Normen. Normzweck der §§ 74 ff. HGB ist es, Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit an gesetzliche Voraussetzungen zu binden und zugunsten ...

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