Rz. 14

Zu beachten sind Besonderheiten für diejenigen Leistungsträger, deren Sozialleistungen eben nicht an das Vorbestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses anknüpfen (Arbeitsverwaltung und Sozialamt). Hier findet (bei Unfällen ab 1.7.1983) ein Forderungsübergang bereits dann statt, wenn und soweit infolge des schädigenden Ereignisses aufgrund konkreter Anhaltspunkte künftige Sozialleistungen (z.B. Rehabilitationsmaßnahmen) ernsthaft in Betracht zu ziehen waren (siehe Rn 17).

 

Rz. 15

Da der Forderungsübergang auf Arbeitsverwaltung und SHT zu einem Zeitpunkt erfolgt, den in der täglichen Praxis kaum jemand voraussehen kann ("Orakel"),[8] ist die außergerichtliche Regulierung von Unfallschäden für den Schadenersatzleistenden mit einem erheblichem Risiko behaftet, wenn beide Parteien (Verletzter, Ersatzpflichtiger) eine in die Zukunft gerichtete Erledigung gemeinsam anstreben oder der Verletzte auf einer Kapitalisierung besteht.

[8] Siehe auch Geigel-Plagemann, Kap. 30 Rn 41.

a) Sozialhilfe

aa) Forderungsübergang (Unfall ab 1.7.1983, § 116 SGB X)

 

Rz. 16

 

Hinweis

Dazu auch in Kapitel 4 (siehe § 4 Rn 1105 ff.).

 

Rz. 16a

Verdienstausfallansprüche (oder andere in regelmäßig wiederkehrender Höhe zu entrichtende Rentenbeträge), die einem Verletzten für die Zukunft zustehen, müssen ihm ohne Berücksichtigung etwaiger Sozialhilfeansprüche zuerkannt werden.[9] Im Hinblick auf den Subsidiaritätscharakter der Sozialhilfe muss ein Geschädigter seinen Lebensbedarf zunächst aus dem Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger decken, bevor er auf die Sozialhilfe zurückgreifen kann.

 

Rz. 17

Der Forderungsübergang auf den SHT erfolgt bereits, sobald infolge des schädigenden Ereignisses aufgrund konkreter Anhaltspunkte, auch für eine Bedürftigkeit des Verletzten, mit der Leistungspflicht eines SHT zu rechnen ist. Erforderlich für den Rechtsübergang ist, dass nach den konkreten Einzelfallumständen Sozialleistungen ernsthaft in Betracht zu ziehen sind.[10] Zugleich hat der BGH den Schutz des Schadenersatzverpflichteten nach §§ 407 I, 412 BGB (gutgläubige Leistung an einen Nichtberechtigten) drastisch eingeschränkt: An die Kenntnis des Forderungsübergangs seien "nur maßvolle Anforderungen zu stellen, um den Schutz der sozialen Leistungsträger nicht durch die Behauptung fehlenden Wissens vom Gläubiger unterlaufen zu können".[11]

[9] BGH v. 3.3.1998 – VI ZR 385/96 – DAR 1998, 231 = EWiR 1998, 393 (Anm. Grunsky) = MDR 1998, 595 = NJW 1998, 1634 = NZV 1998, 279 = r+s 1998, 196 = SP 1998, 241 = VersR 1998, 772 = zfs 1998, 210; BGH v. 4.3.1997 – VI ZR 243/95 – MDR 1997, 937 = NJW 1997, 2943 = NJW-VHR 1997, 200 (nur Ls.) = NZV 1997, 302 = r+s 1997, 371 = SP 1997, 245 = VersR 1997, 751 = VRS 93, 269 = zfs 1997, 250.
[10] BGH v. 24.4.2012 – VI ZR 329/10 – GesR 2012, 475 = jurisPR-SozR 13/2012, Anm. 6 (Anm. Dahm) = jurisPR-VerkR 14/2012, Anm. 2 (Anm. Jahnke) = MDR 2012, 840 = NJW 2012, 3639 (Anm. Giesen NJW 2012, 3609) = NJW-Spezial 2012, 394 = NZS 2012, 752 (nur Ls.) = NZV 2012, 577 (Anm. Dahm NZV 2012, 575) = r+s 2012, 414 = SP 2012, 284 = VersR 2012, 924 = VRS 123, 167; BGH v. 4.3.1997 – VI ZR 243/95 – MDR 1997, 937 = NJW 1997, 2943 = NJW-VHR 1997, 200 (nur Ls.) = NZV 1997, 302 = r+s 1997, 371 = SP 1997, 245 = VersR 1997, 751 = VRS 93, 269 = zfs 1997, 250; BGH v. 9.7.1996 – VI ZR 5/95 – BGHZ 133, 192 = EWiR 1996, 899 (nur Ls.) (Anm. Plagemann) = FamRZ 1996, 1211 (nur Ls.) = HVBG-Info 1996, 2315 = JR 1997, 192 (Anm. Schmitt) = MDR 1996, 1120 = NJW 1996, 2933 = NJWE-VHR 1996, 213 = NJW-RR 19966, 1365 (nur Ls.) = NVwZ 1996, 1245 (nur Ls.) = NZV 1996, 445 = r+s 1996, 398 = SGb 1997, 343 (Anm. Wank) = SP 1996, 345 = VerkMitt 1997, Nr. 44 = VersR 1996, 1258 (Anm. Rischar VersR 1998, 27) = VRS 92, 93 = WI 1996, 171; BGH v. 25.6.1996 – VI ZR 117/95 – NJW 1996, 2508 = NZV 1996, 402 = r+s 1996, 404 = SP 1996, 312 = VersR 1996, 1126 = zfs 1996, 140; BGH v. 13.2.1996 – VI ZR 318/94 – BGHZ 132, 39 = DAR 1996, 357 = JR 1996, 505 (Anm. Fuchs) = LM BGB § 844 Abs. 2, Nr. 93 = MDR 1996, 799 = NJW 1996, 1674 = NVwZ 1996, 824 = NZV 1996, 229 = r+s 1996, 311 = SGb 1996, 328 = SP 1996, 168 = VersR 1996, 649 = VRS 91, 267; BGH v. 12.12.1995 – VI ZR 271/94 – BGHZ 131, 274 = NJW 1996, 726 = NZV 1996, 110 = r+s 1996, 102 = SP 1996, 79 = VersR 1996, 349 = WI 1996, 34 = zfs 1996, 90.
[11] BGH v. 12.12.1995 – VI ZR 271/94 – BGHZ 131, 274 = NJW 1996, 726 = NZV 1996, 110 = r+s 1996, 102 = SP 1996, 79 = VersR 1996, 349 = zfs 1996, 90.

bb) Anspruchssicherung

 

Rz. 18

Trotz Forderungsübergangs auf den SHT verbleibt dem Geschädigten die Ermächtigung, vom Schädiger die Ersatzleistung einzufordern (Nachrang der Sozialhilfe). Ein rechtskräftiges, vom Geschädigten erstrittenes Feststellungsurteil wirkt ebenso wie titelersetzendes Anerkenntnis zugunsten – aber auch zulasten – des SHT.[12]

 

Rz. 19

Für den Lauf der Verjährung gegenüber dem SHT kommt es nicht auf den (i.d.R. recht frühen) Kenntnisstand des Geschädigten an, sondern (zur Vermeidung einer Schlechterstellung des SHT gegenüber einem SVT) auf die Kenntnis des beim SHT regressbefugten Sachbearbeiters.[13]

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