Rz. 83

Zeigt sich nach der Zustellung des Urteils oder eines Beschlusses, dass die Entscheidung Unrichtigkeiten aufweist, müssen diese berichtigt werden. Anderenfalls drohen insbesondere in der Zwangsvollstreckung Schwierigkeiten. Es gehört zu den anwaltlichen Pflichten des Bevollmächtigten, die Entscheidung auf offensichtliche Unrichtigkeiten zu überprüfen.

 

Rz. 84

Als einschlägiges Instrument für die Korrektur offensichtlicher Unrichtigkeiten steht § 319 ZPO zur Verfügung.

1. Der Anwendungsbereich von § 319 ZPO

 

Rz. 85

Über seinen Wortlaut hinaus gilt § 319 ZPO nicht nur für Urteile, sondern auch für verschiedene Beschlüsse. In Betracht kommen hier insbesondere:

der Kostenfestsetzungsbeschluss,[56]
der Mahnbescheid,[57]
der Vollstreckungsbescheid,[58]
der Verweisungsbeschluss,[59]
der Tatbestandsberichtigungsbeschluss,[60]
die Kostenentscheidungen nach § 91a oder § 269 Abs. 3 ZPO,
der Beschluss über die Regelung des Versorgungsausgleichs,[61]
der Scheidungsfolgenvergleich,[62]
der Schiedsspruch,[63]
das Rubrum im selbstständigen Beweisverfahren.[64]
 

Rz. 86

 

Hinweis

Für die Berichtigung eines Beweisbeschlusses bedarf es dagegen § 319 BGB nicht. Diese kann auf Anregung der Parteien jederzeit nach § 360 ZPO erfolgen.

 

Rz. 87

Die Berichtigung eines in der mündlichen Verhandlung protokollierten Prozessvergleichs erfolgt dagegen nach § 164 ZPO[65] im Wege der Protokollberichtigung.[66] Allerdings ist zu beachten, dass "unrichtige" Vereinbarungen aufgrund inhaltlicher Irrtümer auf diesem Wege nicht korrigiert werden können,[67] wohl aber das Vergessen der Protokollierung der Widerrufsfrist.[68] Ebenso wird der durch Beschluss gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellte Vergleich entsprechend § 164 ZPO berichtigt, §§ 278 Abs. 6 S. 3 i.V.m. 164 ZPO.

 

Rz. 88

 

Tipp

Auch notarielle Urkunden können nach § 319 ZPO von offensichtlichen Unrichtigkeiten befreit werden,[69] was gegenüber einer erneuten Beurkundung Kostenvorteile mit sich bringt.

 

Rz. 89

 

Hinweis

§ 319 ZPO galt nicht nur im zivilprozessualen Verfahren, sondern in der Vergangenheit auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.[70] Seit dem 1.9.2009 trifft § 42 FamFG hier eine eigenständige Regelung. Auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren findet § 319 ZPO über § 46 Abs. 2 ArbGG Anwendung.

[56] OLG München NJW-RR 1996, 51; OLG Koblenz, MDR 2015, 236.
[57] OLG Düsseldorf NJW 1999, 2000.
[58] OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1990, 768.
[59] BGH NJW-RR 1993, 700.
[60] BGH NJW-RR 1988, 407.
[61] OLG Karlsruhe FamRZ 2003, 776.
[62] OLG Frankfurt/M. OLGR 2002, 243.
[63] OLG Frankfurt/M. OLGR 2004, 310; beachte auch § 1058 ZPO.
[65] Zöller/Feskorn, § 319 Rn 3; BAG NJW 2009, 1161 ff.
[66] Musterantrag unter Rdn 226.
[67] OLG Celle OLGR 2000, 236; 1999, 94.
[69] OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1997, 566.
[70] BGH MDR 1989, 531.

2. Die offensichtliche Unrichtigkeit als Berichtigungsvoraussetzung

 

Rz. 90

Der Berichtigungsantrag[71] nach § 319 ZPO setzt voraus, dass sich in der Entscheidung eine offensichtliche Abweichung zwischen dem vom Gericht Gewollten und der tatsächlichen Entscheidung erkennen lässt.

 

Rz. 91

Dabei muss sich die offensichtliche Unrichtigkeit aus der Entscheidung oder deren Verkündung selbst ergeben. Auch für am Prozess beteiligte Dritte muss sich die Unrichtigkeit ohne Weiteres ergeben können.[72]

 

Rz. 92

 

Hinweis

Entscheidend und berichtigungsfähig ist also ein Fehler bei der Willensverlautbarung, nicht dagegen ein Fehler in der Willensbildung.[73]

 

Rz. 93

Checkliste möglicher offensichtlicher Unrichtigkeiten[74]

Schreibfehler[75]
Rechenfehler[76]
Ungenauigkeiten im Ausdruck[77]
Berechnungsfehler durch falsche Eingabe in ein Berechnungsprogramm[78]
versehentlich unterbliebene Zulassung der Revision[79]
Divergenz zwischen den Entscheidungsgründen und dem Tenor,[80] etwa der Kostenentscheidungsbegründung und dem Tenor, wenn etwa der "falschen" Partei die Kosten auferlegt werden oder die Kostenentscheidung sogar ganz fehlt
unklare Kostenentscheidung[81]
in Bezug auf die Kosten des Streithelfers, wenn sich aus dem Urteil hinreichende Anhaltspunkte ergeben, dass das Gericht in seiner Entscheidung auch über die Kosten des Streithelfers entschieden hat[82]
unzutreffende Bezeichnung der Prozessbevollmächtigten[83]
unzutreffende Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters[84]
fehlerhafte Angabe der Grenzen für einen Anspruchszeitraum[85]
 

Rz. 94

 

Hinweis

Mit dem Berichtigungsantrag nach § 319 ZPO kann kein – auch kein offensichtlicher – Rechtsanwendungsfehler berichtigt werden. Diese sind vielmehr im Wege der Berufung nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zu korrigieren.

 

Rz. 95

Die Berichtigung kann alle Teile des Urteils betreffen, d.h.

das Rubrum,

 

Hinweis

Im Wege einer Urteilsberichtigung kann auch die nach dem Rubrum beklagte Partei durch eine andere ersetzt werden, wenn sich aus dem übrigen Inhalt des Urteils zweifelsfrei ergibt, dass die andere Partei als Beklagte angesehen wird und verurteilt werden soll.[86]

Nicht zulässig ist der "Parteiwechsel" im Gewand einer vermeintlichen Rubrumsberichtigung.[87]

den Tenor,[88]

 

Hinweis

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