Rz. 48

Das Ertragswertverfahren basiert auf der Idee der Diskontierung der den Unternehmenseignern zukünftig zufließenden finanziellen Überschüsse auf den Bewertungsstichtag. Die erwarteten finanziellen Überschüsse werden grundsätzlich aus den zu prognostizierenden zukünftigen handelsrechtlichen Erfolgen des Unternehmens abgeleitet.[77] Ausgangspunkt der Bewertung sind die den Unternehmenseignern zufließenden Einnahmen (entnahmefähige Gewinne) bzw. Ausschüttungen.[78]

 

Rz. 49

Grundlage dieses Ansatzes ist die Überlegung, dass ein Unternehmen so viel wert ist, wie sich in der Zukunft an Erträgen aus ihm erwirtschaften lässt.[79] Der "wirkliche" Wert entspricht nach dieser Methode also dem zu erwartenden (auf den Stichtag abgezinsten) Zukunftserfolg.[80]

 

Rz. 50

Der richtige Unternehmenswert ist also – jedenfalls theoretisch – der Barwert aller zukünftig erzielbaren, auf den Bewertungsstichtag abgezinsten Unternehmenserfolge (= Einnahmeüberschüsse).[81]

 

Rz. 51

Das klingt in der Theorie recht einfach, stößt in der Praxis jedoch auf das Problem, da der theoretisch als Bewertungsmaßstab dienende Einnahmeüberschuss bei bilanzierenden Unternehmen normalerweise gar nicht ermittelt wird.

 

Rz. 52

Denn in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) des handelsrechtlichen Jahresabschlusses spiegelt der Ertrag (Überschuss der Erträge über die Aufwendungen) den Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens im abgelaufenen Wirtschaftsjahr wider. Außerdem wird der handelsrechtliche Jahresüberschuss ganz maßgeblich durch das Vorsichtsprinzip des § 252 Abs. 1 S. 4 HGB geprägt, so dass er nicht mit dem der Unternehmensbewertung zugrunde zu legenden Einnahmeüberschuss übereinstimmt. Daher sind im Vorfeld einer Bewertung diverse Bereinigungen/Modifikationen erforderlich, durch die die wesentlichen Grundgedanken der Einnahmeüberschussrechnung auf die aus dem Rechnungswesen des Unternehmens abgeleiteten Aufwands- und Ertragsrechnungen übertragen werden.[82]

 

Rz. 53

Dessen ungeachtet wird in der Praxis stets vom "Ertrag" bzw. "Ertragswert" gesprochen.[83] Gemeint ist dabei stets der Wert der zukünftigen Ertragskraft des Unternehmens.[84] Daher kann das Ertragswertverfahren auch als prognoseorientierte Bewertungsmethode bezeichnet werden. Der Geschäfts- oder Firmenwert (Goodwill) ist grundsätzlich als wertbestimmender Faktor im Ertragswert enthalten, er wird also nicht gesondert in Ansatz gebracht.

[77] IDW S 1, Tz 102 f., FN-IDW 2008, 271, 284.
[78] IDW S 1, Tz 24, FN-IDW 2008, 271, 276.
[79] Bratke, Abfindungsklauseln, S. 11.
[80] IDW S 1, Tz 5, 7, FN-IDW 2008, 271, 274; Großfeld, Unternehmensbewertung, Rn 127; Piltz, Unternehmensbewertung, S. 35; Helbling, Unternehmensbewertung, S. 177 f.; Peemöller, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 33.
[81] IDW S 1, Tz 102, FN-IDW 2008, 271, 284; Großfeld, Unternehmensbewertung, Rn 128; OLG Zweibrücken v. 9.3.1995 – 3 W 133 u. 145/92, AG 1995, 421 ff.
[82] IDW Stellungnahme HFA 2/1983, WPg 1983, 468, 470; vgl. auch Großfeld, Unternehmensbewertung, Rn 989.
[83] Großfeld, Rn 226 m.w.N. aus der Rechtsprechung; vgl. auch Piltz, Unternehmensbewertung, S. 17, 142: Der Ertragswert ist die Summe des Zukunftserfolgs des Unternehmens bezogen auf den Bewertungsstichtag. Als betriebswirtschaftlich theoretisch richtig gilt heute eine Definition des Zukunftserfolgs als Summe sämtlicher an den Investor fließender Nettoausschüttungen aus dem Unternehmen.
[84] Großfeld, Unternehmensbewertung, Rn 226, 982 ff.

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