Rz. 61

Nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung erstellte Handelsbilanzen sind unter Beachtung des Vorsichtsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) aufzustellen. Dies dient in erster Linie dem Gläubigerschutz.[102] Die vorsichtige Bewertung aller Vermögensgegenstände und Schulden soll gewährleisten, dass möglichst alle Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag bzw. zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind, im Abschluss berücksichtigt werden (Imparitätsprinzip).[103] Demgegenüber dürfen Gewinne nur unter der Voraussetzung erfasst werden, dass sie am Abschlussstichtag bereits realisiert waren (Realisationsprinzip).[104] Neben dem Gläubigerschutz bewirkt das Vorsichtsprinzip auch, dass überhöhte Gewinnausweise sowie die Ausschüttung gar nicht erzielter Gewinne unterbleiben.

 

Rz. 62

Da Ziel der Unternehmensbewertung aber die Ermittlung des "wirklichen" Werts des Unternehmens ist, ist eine Bereinigung der Jahresabschlüsse um aus dem Vorsichtsprinzip resultierende Effekte vorzunehmen. Denn würden der Unternehmensbewertung (Plan-)Bilanzen und (Plan-)Gewinn- und Verlustrechnungen, die unter Beachtung des Vorsichtsprinzips erstellt wurden, unbereinigt zugrunde gelegt, ergäbe sich auch eine vorsichtige Einschätzung der künftigen Unternehmenserfolge. Man würde also im Prinzip einen Mindestertragswert erhalten, wie er dem Unternehmen selbst bei ungünstigsten Entwicklungen auf jeden Fall zukommen müsste.

[102] Morck, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, § 252 Rn 5; Horschitz/Gross/Weidner, Bilanzsteuerrecht und Buchführung, S. 153 f.
[103] Füllbier/Kuschel/Selchert, in: Küting/Pfitzer/Weber, § 252 Rn 81.
[104] Füllbier/Kuschel/Selchert, in: Küting//PfitzerWeber, § 252 Rn 90 f.; Winkeljohann/Büssow, Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 252 HGB Rn 32–33.

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