Rz. 58
Jede Bewertung ist grundsätzlich zeitpunktbezogen.[95] Das gilt auch für die Unternehmensbewertung. Der Bewertungsstichtag determiniert, welche finanziellen Überschüsse den bisherigen Unternehmenseignern bereits zugeflossen sind und daher bei der Beurteilung der zukünftigen Ertragskraft nicht mehr berücksichtigt werden dürfen, und ab welchem Zeitpunkt zu erwartende bzw. schon realisierte finanzielle Überschüsse den künftigen Eigentümern zuzurechnen sind. Gegenstand der Bewertung ist also die zum Stichtag vorhandene Ertragskraft des Unternehmens (Stichtagsprinzip).[96]
Rz. 59
Diese kaufmännischen Erwägungen sind (jedenfalls teilweise) sogar im BGB abgebildet:
Für Personenhandelsgesellschaften regelt § 738 Abs. 1 S. 1 BGB, dass einem ausscheidenden Gesellschafter derjenige Betrag als Abfindung zusteht, den er erhalten würde, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt seines Ausscheidens aufgelöst würde.[97]
Auch wenn die hier anscheinend normierte Maßgeblichkeit des Liquidationswerts von Rechtsprechung und Literatur zu Recht abgelehnt wird,[98] ist die vom Gesetzgeber getroffene Definition des Bewertungsstichtags unumstritten. Gleiches gilt – trotz Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung – auch für die Kapitalgesellschaften[99] sowie hinsichtlich Pflichtteils- und sonstiger erbrechtlicher Ausgleichsansprüche.[100]
Für das Pflichtteilsrecht ist der Stichtag der Zeitpunkt des Todes des Erblassers (§ 2311 Abs. 1 S. 1 BGB) oder – bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen i.S.v. § 2325 BGB – gegebenenfalls der Zuwendungszeitpunkt.
Rz. 60
Eine Konsequenz des Stichtagsprinzips für die praktische Durchführung der Bewertung ist, dass hinsichtlich aller einzubeziehenden Daten und Informationen stets (nur) auf den Kenntnisstand abzustellen ist, der bei angemessener Sorgfalt auch zum Bewertungsstichtag hätte erlangt werden können.[101]
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